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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Faulkner
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jederzeit einschlagen kann, wie der Blitz. Man braucht wohl wirklich ein starkes Vertrauen in den Herrn, dass Er einen behütet, obwohl ich manchmal denke, dass Cora einen Tick übervorsichtig ist, als ob sie versucht, die andern wegzudrängen, damit sie selber näher dran sein kann. Aber andererseits, wenn so etwas wie das hier passiert, dann glaube ich, dass sie recht hat, und daran muss man sich halten, und ich denke, es ist ein Segen, eine Frau zu haben, die immer danach strebt, dem Herrn wohlgefällig zu sein und Wohltätigkeit zu üben, was ich tue, wie sie sagt.
    Ab und zu macht man sich seine Gedanken über all das. Nicht zu oft. Was gut ist. Denn der Herr hat für uns vorgesehn, dass wir arbeiten und nicht zu viel Zeit mit Denken vertun, weil das Gehirn wie ein Maschinenteil ist: zu starkem Gebrauch hält es nicht stand. Am besten ist es, wenn alles seinen gewohnten Gang geht, während man sein Tagewerk verrichtet, und kein Teil mehr beansprucht wird als nottut. Ich habe es gesagt, und ich sage es noch einmal: das ist der springende Punkt bei Darl, er grübelt zu viel allein vor sich hin. Cora hat recht, wenn sie sagt, alles, was er braucht, ist eine Frau, die ihn zur Einsicht bringt. Aber wenn ich es mir überlege, dann finde ich, dass ein Mann, dem nur noch das Heiraten helfen kann, ein verdammt hoffnungsloser Fall ist. Fast, jedenfalls. Aber Cora hat wahrscheinlich recht, wenn sie sagt, dass der Herr die Frauen erschaffen musste, weil der Mann seinen guten Stern nicht erkennt, selbst wenn er ihm in die Augen scheint.
    Als ich mit dem Gespann zum Haus zurückkam, waren sie in der Küche. Cora hatte sich über ihr Nachthemd etwas angezogen, sich einen Schal um den Kopf gebunden, ihren Schirm neben sich und die in Wachstuch gewickelte Bibel, und er saß auf einem umgestülpten Eimer auf dem Ofenblech, wo sie ihn hingesetzt hatte, damit er abtropfen konnte. «Ich kann nichts aus ihm rauskriegen, nur was von einem Fisch», sagt sie. «Gottes Strafe ist über sie gekommen. Ich sehe die Hand des Herrn auf diesem Jungen, Anse Bundren zur Strafe und zur Warnung.»
    «Der Regen ist erst gekommen, als ich losgegangen war», sagt er. «Ich war schon losgegangen. Ich war auf dem Weg. Und so war er da im Staub. Du hast ihn gesehn. Cash will sie einnageln, aber du hast ihn gesehn.»
    Als wir ankamen, regnete es stark, und er saß zwischen uns, in Coras Schal gewickelt. Er hatte nichts sonst gesagt, saß nur da, und Cora hielt den Schirm über ihn. Ab und zu hatte Cora mit Singen aufgehört, um sagen zu können: «Das ist die Strafe Gottes für Anse Bundren. Möge ihm der Pfad der Sünde gezeigt werden, auf dem er wandelt.»
    Dann hatte sie wieder gesungen, und er saß da zwischen uns, ein wenig vorgebeugt, als ob die Mulis für ihn nicht schnell genug laufen konnten.
    «Da drüben hat er gelegen», sagt er. «Aber der Regen ist gekommen, nachdem ich losgegangen bin. Also kann ich hingehn und die Fenster aufmachen, weil Cash sie noch nicht eingenagelt hat.»
    Mitternacht war lange vorüber, als wir den letzten Nagel einschlugen, und der Morgen graute fast schon, als ich nach Hause zurückkam, die Maultiere ausspannte und wieder zu Bett ging; Coras Nachtmütze lag auf dem anderen Kissen. Und ich will verdammt sein, wenn ich nicht auch da noch Cora singen hörte und den Jungen neben mir spürte, wie er sich zwischen uns vorbeugte, als wär er den Mulis voraus, und ich immer noch Cash sah, wie er mit seiner Säge auf und ab ging, und Anse, der dastand wie eine Vogelscheuche, wie ein Stier, der knietief in einem Tümpel steht, und jemand kommt vorbei und kippt den Tümpel hochkant, und er merkt es nicht.
    Es war kurz vor Tagesanbruch, als wir den letzten Nagel einschlugen und den Sarg ins Haus schleppten, wo sie bei offenem Fenster auf dem Bett lag und der Regen wieder über sie hinfegte. Zweimal tat er’s noch, und er war so todmüde, sagt Cora, dass sein Gesicht aussah wie eine von den Weihnachtsgänsen, die man eingegraben und nach einer Weile wieder ausgegraben hat, bis sie sie endlich in den Sarg legten und ihn zunagelten, sodass er das Fenster für sie nicht mehr öffnen konnte. Und am nächsten Morgen fanden sie ihn im Hemd schlafend auf dem Fußboden liegen wie einen gefällten Stier, und überall in den Sargdeckel waren Löcher gebohrt, und im letzten Loch stak Cashs neuer Augerbohrer, abgebrochen. Als sie den Deckel abnahmen, sahen sie, dass der Bohrer an zwei Stellen in ihr Gesicht gedrungen war.
    Wenn es eine

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