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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Faulkner
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sie wird er sein und Pa und Cash und Dewey Dell, und im Sarg wird nichts sein, und so kann sie atmen. Gleich da drüben auf der Erde hat er gelegen. Ich kann Vernon holen. Er war da und hat ihn gesehn, und er wird bei uns beiden sein, und dann wird er nicht sein.

[zur Inhaltsübersicht]
    Tull
    Es war fast Mitternacht, und der Regen hatte eingesetzt, als er uns weckte. Es war ein tückischer Abend gewesen, an dem das Unwetter sich zusammenbraute; ein Abend, an dem man fast alles befürchtet, bis man endlich das Vieh versorgt hat und nach Haus und zum Essen und ins Bett kommt und der Regen droht und Peabodys Gespann auftaucht, schaumbedeckt, das zerrissene Zaumzeug hinter sich herschleifend und das Kummet zwischen den Beinen des einen Pferds, und Cora sagt: «Das ist Addie Bundren. Sie ist endlich gestorben.»
    «Peabody kann in einem von Dutzenden anderer Häuser hier in der Nachbarschaft gewesen sein», sage ich. «Außerdem, woher weißt du, dass es Peabodys Gespann ist?»
    «Wem soll’s sonst gehören», sagt sie. «Du spannst jetzt an.»
    «Wozu?», sage ich. «Wenn sie gestorben ist, können wir vor morgen früh nichts tun. Und dann das Unwetter.»
    «Es ist meine Pflicht», sagt sie. «Schirr jetzt die Maultiere an.»
    Aber ich wollte nicht. «Es ist doch keine Frage, dass sie uns holen würden, wenn sie uns brauchen. Du weißt nicht einmal, ob sie wirklich gestorben ist.»
    «Also, kennst du vielleicht Peabodys Gespann nicht? Willst du behaupten, das ist es nicht? Nun mach schon.» Aber ich wollte nicht gehn. Wenn Leute einen brauchen, ist es besser zu warten, bis sie einen holen, hab ich immer gefunden. «Es ist meine Christenpflicht», sagt Cora. «Willst du dich zwischen mich und meine Christenpflicht stellen?»
    «Du kannst morgen den ganzen Tag dableiben, wenn du willst», sag ich.
    Als Cora mich weckte, hatte der Regen eben eingesetzt. Ich ging zur Tür, mit der Lampe, und hielt sie an die Scheibe, damit er mich kommen sehen konnte, aber es klopfte immer weiter, nicht laut, aber anhaltend, als ob er beim Anklopfen eingeschlafen wär. Aber ich hatte nicht gemerkt, wie tief unten an der Tür das Klopfen war; ich machte die Tür auf und sah nichts. Ich hielt die Lampe hoch, der Regen sprühte drüber hin, und Cora sagte hinter mir im Flur: «Wer ist es, Vernon?», aber ich konnte zuerst niemanden sehn, bis ich die Lampe tiefer hielt und nach unten sah und hinter die Tür.
    Er sah in seiner Latzhose wie ein aus dem Wasser gezogener junger Hund aus, ohne Kopfbedeckung, bis zu den Knien mit Schlamm bespritzt, weil er die vier Meilen durch den Schlamm gelaufen war. «Also, da soll mich doch –», sag ich.
    «Wer ist es, Vernon?», fragt Cora.
    Er sah mich an, die Augen rund und schwarz in der Mitte, wie wenn man einer Eule ein helles Licht vors Gesicht hält. «Du weißt doch, der Fisch», sagt er.
    «Komm ins Haus», sag ich. «Was ist los? Ist deine Ma …»
    «Vernon», sagt Cora.
    Er stand halb hinter der Tür, im Dunkeln. Der Regen peitschte gegen die Lampe und ließ sie aufzischen, sodass ich Angst hatte, sie könnte jeden Augenblick zerspringen.
    «Du warst dabei», sagte er. «Du hast ihn gesehn.»
    Cora kommt an die Tür. «Du kommst jetzt sofort rein, raus aus dem Regen», sagt sie, zieht ihn in den Flur, und er sieht mich an. Er sah wirklich aus wie ein halb ertrunkener junger Hund. «Ich hab’s dir gesagt», sagt Cora. «Ich hab dir gesagt, es ist passiert. Du gehst jetzt und spannst an.»
    «Aber er hat nicht gesagt …», sag ich.
    Er sah mich an. Das Wasser tropfte an ihm herunter auf den Boden. «Er ruiniert den Teppich», sagt Cora. «Du machst jetzt das Gespann fertig, ich nehme ihn mit in die Küche.»
    Aber er wollte nicht. Er stand da, tropfend, und sah mich an mit diesen Augen. «Du warst dabei. Du hast ihn da liegen sehn. Cash will sie einnageln, und er hat doch da vor uns auf der Erde gelegen. Du hast ihn gesehn. Du hast seinen Abdruck im Staub gesehn. Der Regen ging erst los, als ich schon auf dem Weg war. Wir können rechtzeitig zurück sein.»
    Verdammt will ich sein, wenn mir das keine Gänsehaut gemacht hat, auch wenn ich es noch nicht gewusst hab. Aber Cora wusste es. «Du spannst jetzt so schnell an, wie du nur kannst», sagt sie. «Er ist ja schon halb verrückt vor Kummer und Sorge.»
    Ich will verdammt sein, wenn es mir nicht kalt den Rücken runterlief. Ab und zu macht man sich so seine Gedanken. Über all das Unglück und Leid in dieser Welt. Wie’s überall und

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