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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Faulkner
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Donner, ohne Vorwarnung; Pa wird auf die Veranda gedrückt, bis an die Wand, und es vergeht keine Minute, da ist Cash durchnässt bis auf die Haut. Doch die Bewegung der Säge hat nicht gestockt, als ob sie und der Arm in der gelassenen Überzeugung funktionierten, dass der Regen eine Sinnestäuschung sei. Dann stellt er die Säge hin und kauert sich über die Laterne, schützt sie mit seinem Körper; sein Rücken zeichnet sich schmal und knochig unter dem nassen Hemd ab, als habe man ihn abrupt mit der falschen Seite nach außen gekehrt.
    Pa kommt zurück. Er hat Jewels Regenmantel an und trägt Dewey Dells überm Arm. Über der Laterne kauernd greift Cash hinter sich, sammelt vier Stöcke auf, schlägt sie in die Erde, nimmt Dewey Dells Regenmantel von Pas Arm, breitet ihn über die Stöcke und hat so ein Dach über die Laterne gespannt. Pa sieht ihm zu. «Ich weiß nicht, was du machst», sagt er. «Darl hat seinen Mantel mitgenommen.»
    «Nass werden», sagt Cash. Er nimmt die Säge wieder auf; wieder bewegt sie sich auf und ab, hinein und heraus mit stetiger Unbeirrbarkeit, wie ein Kolben sich in Öl bewegt; Cash durchnässt, knochig, unermüdlich, mit dem hageren leichten Körper eines Knaben oder eines alten Mannes. Pa sieht ihm zu, blinzelnd, das Gesicht regenüberströmt; wieder sieht er zum Himmel mit diesem Ausdruck dumpfer, brütender Empörung und gleichzeitig mit Genugtuung, als habe er nichts anderes erwartet; dann und wann rührt er sich, er bückt sich, dürr, abgezehrt, das Wasser läuft an ihm herab, er nimmt ein Brett auf oder ein Werkzeug und legt es wieder hin. Vernon Tull ist gekommen, und Cash hat Mrs. Tulls Regenmantel übergezogen; zusammen mit Vernon sucht er die Säge. Sie finden sie nach einer Weile in Pas Hand.
    «Warum gehst du nicht ins Haus, raus aus dem Regen?», sagt Cash. Pa sieht ihn an, der Regen strömt ihm langsam übers Gesicht. Es ist, als spiele sich auf einem von einem rohen Karikaturisten geschnitzten Gesicht die grausame Parodie der Verlassenheit ab. «Du gehst jetzt rein», sagt Cash. «Ich und Vernon schaffen es auch ohne dich.»
    Pa sieht sie an. Die Ärmel von Jewels Mantel sind ihm zu kurz. Über sein Gesicht fließt der Regen langsam wie kaltes Glyzerin. «Ich verüble ihr nicht, dass ich durchnässt bin», sagt er. Er bewegt sich wieder, schickt sich an, die Bretter zu verschieben. Er hebt sie auf und legt sie vorsichtig wieder hin, als seien sie aus Glas. Er geht zur Laterne und zerrt an dem ausgespannten Regenmantel, bis er ihn heruntergerissen hat und Cash kommen und ihn wieder festmachen muss.
    «Du gehst jetzt ins Haus», sagt Cash. Er bringt Pa zum Haus und kommt mit dem Regenmantel zurück, den er zusammenfaltet und unter das Schutzdach der Laterne legt. Vernon hat weitergesägt. Er sieht auf, sägt aber weiter.
    «Du hättest das gleich tun müssen», sagt er. «Du wusstest doch, dass es Regen gibt.»
    «Es ist sein Fieber», sagt Cash. Er schaut prüfend das Brett an.
    «Ja», sagt Vernon. «Er wär so oder so gekommen.»
    Cash kneift ein Auge zu und sieht am Brett entlang. Auf die lange Breitseite drischt unablässig der Regen, Myriaden sprühender Tropfen. «Ich werd’s abschrägen», sagt er.
    «Das dauert länger», sagt Vernon. Cash stellt das Brett hochkant; Vernon sieht ihn noch einen Augenblick lang an, dann reicht er ihm den Hobel.
    Vernon hält das Brett fest, während Cash die Kante mit der geduldigen, minutiösen Sorgfalt eines Goldschmieds abschrägt. Mrs. Tull kommt an die Ecke der Veranda und ruft Vernon. «Wie lange braucht ihr noch?», fragt sie.
    Vernon sieht nicht auf. «Nicht mehr lange. Noch ein Weilchen.»
    Sie beobachtet, wie Cash sich über das Brett beugt; der düster aufglimmende Schein der Laterne glitscht bei jeder Bewegung über seinen Regenmantel. «Geht doch zur Scheune runter und nehmt euch von da ein paar Latten, und dann macht ihr ein bisschen schnell und kommt endlich aus dem Regen raus», sagt sie. «Ihr holt euch beide noch den Tod.» Vernon rührt sich nicht. «Vernon», sagt sie.
    «Wir brauchen nicht mehr lange», sagt er. «Ein paar Minuten noch.» Mrs. Tull sieht ihnen eine Weile zu. Dann geht sie ins Haus zurück.
    «Wenn’s knapp wird, können wir tatsächlich ein paar Latten von unten holen», sagt Vernon. «Ich helf dir dann, sie zu ersetzen.»
    Cash legt den Hobel beiseite, schaut, das eine Auge zugekniffen, an der Brettkante entlang und wischt sie mit der Handfläche ab. «Gib mir das nächste», sagt

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