Als ich im Sterben lag (German Edition)
Inhaltsübersicht]
Vardaman
Wir fahren in die Stadt. Dewey Dell sagt, sie wird nicht verkauft, weil sie Santa Claus gehört, und der nimmt sie wieder mit bis zum nächsten Weihnachtsfest, dann steht sie wieder hinter der Schaufensterscheibe und glänzt erwartungsvoll.
Pa und Cash kommen den Hang herunter, aber Jewel geht zur Scheune. «Jewel», sagt Pa. Jewel bleibt nicht stehen. «Wohin gehst du?», sagt Pa. Aber Jewel bleibt nicht stehen. «Du lässt das Pferd hier», sagt Pa. Jewel bleibt stehen und sieht Pa an. Jewels Augen sehen aus wie Murmeln. «Du lässt das Pferd hier», sagt Pa. «Wir fahren alle im Wagen mit Ma, wie sie es gewollt hat.»
Aber meine Mutter ist ein Fisch. Vernon hat’s gesehn. Er war dabei.
«Jewels Mutter ist ein Pferd», sagte Darl.
«Dann kann meine ein Fisch sein, oder nicht, Darl?», sagte ich.
Jewel ist mein Bruder.
«Dann muss meine Mutter auch ein Pferd sein», sagte ich.
«Warum?», sagte Darl. «Wenn Pa dein Pa ist, warum muss deine Ma ein Pferd sein, bloß weil Jewels Ma eins ist?»
«Warum ist das so?», sagte ich. «Warum ist das so, Darl?»
Darl ist mein Bruder.
«Was ist dann deine Ma, Darl?», sagte ich.
«Ich hab keine», sagte Darl. «Denn wenn ich eine hätte, dann ist es war . Und wenn es war ist, kann es nicht ist sein. Oder?»
«Nein», sagte ich.
«Dann bin ich nicht», sagte Darl. «Oder?»
«Nein», sagte ich.
Ich bin. Darl ist mein Bruder.
Cash trägt seinen Werkzeugkasten. Pa sieht ihn an. «Ich halte auf der Rückfahrt bei Tull», sagt Cash. «Mach weiter mit seinem Scheunendach.»
«Das ist respektlos», sagt Pa. «Das ist eine vorsätzliche Missachtung von ihr und von mir.»
«Willst du, dass er mit seinem Werkzeug den ganzen Weg zu Fuß zu Tull zurückgeht?», sagt Darl. Pa sieht Darl an und kaut. Pa rasiert sich jetzt jeden Tag, weil meine Mutter ein Fisch ist.
«Es ist nicht richtig», sagt Pa.
Dewey Dell trägt das Paket. Sie trägt auch den Korb mit unserm Essen.
«Was ist das?», fragt Pa.
«Mrs. Tulls Kuchen», sagt Dewey Dell und steigt auf den Wagen. «Ich bringe sie für sie in die Stadt.»
«Es ist nicht richtig», sagt Pa. «Es ist eine Missachtung der Toten.»
Sie wird da sein. Nächste Weihnachten wird sie da sein, sagt Dewey Dell, und auf den Schienen glänzen. Sie sagt, er verkauft sie an keinen Jungen aus der Stadt.
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Darl
Er geht weiter zur Scheune, über den Hof, sein Rücken wie aus Holz.
Dewey Dell trägt den Korb am einen Arm, in der anderen Hand etwas Viereckiges, in Zeitungspapier Gewickeltes. Ihr Gesicht ist ruhig und mürrisch, ihre Augen schauen wach und grüblerisch; in ihnen kann ich Peabodys Rücken sehen, wie zwei runde Erbsen in zwei Fingerhüten: vielleicht sind in Peabodys Rücken zwei dieser Würmer, die sich heimlich und beharrlich durch dich hindurcharbeiten und auf der anderen Seite wieder herauskommen, und du fährst jäh aus dem Schlaf oder einem Wachtraum hoch mit einem überraschten, gespannten, beunruhigten Ausdruck im Gesicht. Sie stellt den Korb in den Wagen und klettert herauf, ihr Bein streckt sich lang unter dem engen Rock hervor: der Hebel, der die Welt bewegt; ein Schenkel des Zirkels, der Länge und Breite des Lebens misst. Sie setzt sich nach vorn neben Vardaman und nimmt das Paket auf den Schoß.
Dann tritt er in die Scheune. Er hat nicht zurückgesehen.
«Es ist nicht richtig», sagt Pa. «Es ist wenig genug, das er für sie tun kann.»
«Lasst uns fahren», sagt Cash. «Soll er hierbleiben, wenn er will. Vielleicht geht er zu Tull rüber und bleibt da.»
«Er holt uns ein», sag ich. «Er nimmt die Abkürzung und holt uns bei Tulls Feldweg ein.»
«Er wär im Ernst mit dem Pferd gekommen», sagt Pa, «wenn ich ihn nicht gehindert hätte. Dies verdammte gescheckte Vieh, wilder als ’ne Wildkatze. Eine vorsätzliche Missachtung von ihr und von mir.»
Der Wagen setzt sich in Bewegung, die Ohren der Mulis beginnen zu wippen. Hinter uns, über dem Haus, hängen sie reglos in weiten schwebenden Kreisen, werden kleiner und verschwinden.
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Anse
Ich hab ihm gesagt, er soll nicht mit dem Pferd kommen, aus Achtung vor seiner toten Ma, denn wie würde das aussehn, er auf einem verdammten Zirkusgaul, der neben uns her tänzelt, wo sie doch gewollt hat, dass wir alle im Wagen mit ihr fahren, alle, die von ihrem Fleisch und Blut sind, aber wir waren noch nicht ganz bei Tulls Feldweg, als Darl zu lachen anfing. Neben Cash hinten auf dem
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