Als ich im Sterben lag (German Edition)
Teufel», sagt er. «Geh zum Teufel.»
Ich kann meine Mutter nicht lieben, weil ich keine Mutter habe. Jewels Mutter ist ein Pferd.
Reglos hängen die Bussarde in schwebenden Kreisen unter den ziehenden Wolken, die sie aussehen lassen, als flögen sie rückwärts.
Reglos, mit hölzernem Rücken und hölzernem Gesicht, starr vorgereckt wie ein Habicht mit angewinkelten Flügeln, lässt er das unsichtbare Pferd nicht aus den Augen. Sie warten auf uns, bereit, den Sarg wegzubringen, warten auf ihn. Er geht in den Stall, in die Box, wartet, bis es nach ihm ausschlägt, damit er an ihm vorbeischlüpfen, sich auf die Raufe hinaufhangeln und Zeit gewinnen kann. Er späht über die zwischen ihm und dem Scheunentor stehenden Boxenwände hinweg auf den leeren Weg hinaus, bevor er sich zum Heuboden hochreckt.
«Zum Teufel mit ihm!»
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Cash
«So hält er sich nicht im Gleichgewicht. Wenn ihr ihn tragen und im Gleichgewicht halten wollt, müssen wir –»
«Heb ihn hoch. Verdammt, heb ihn hoch!»
«Ich sag euch doch, ihr könnt ihn nicht tragen und im Gleichgewicht halten, wenn ihr nicht –»
«Heb ihn hoch! Heb ihn hoch, du gottverdammter Dickschädel, oder geh zur Hölle, heb ihn endlich hoch!»
Er wird sich nicht im Gleichgewicht halten. Wenn sie ihn tragen wollen und nicht so, dass er das Gleichgewicht verliert, dann müssen sie
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Darl
Er beugt sich, zwischen uns stehend, zum Sarg hinunter, zwei von den acht Händen. Das Blut schießt ihm in Wellen ins Gesicht. Wenn sein Gesicht gerade nicht rot ist, sieht es grünlich aus, wie das weiche, breiige Grün von Wiedergekäutem; vor Wut fast erstickt, die Oberlippe von den Zähnen hochgezogen, sagt er: «Heb ihn hoch, du verfluchter Dickschädel!»
Er setzt an und reißt die eine Seite so plötzlich hoch, dass wir alle in die Höhe springen müssen, um den Sarg zu halten und in Balance zu bringen, bevor Jewel ihn vollends umstürzt. Einen Augenblick lang widersetzt sich der Sarg, als habe er einen eigenen Willen, als klammere der spindeldürre Körper in ihm sich noch im Tod zornig an eine Art Schicklichkeit, als wolle sie ein beschmutztes Kleidungsstück verbergen, das ihr Körper, ohne dass sie ihn daran hätte hindern können, verunreinigt hat. Dann bricht der Sarg sich Bahn und steigt so abrupt hoch, als habe ihr ausgezehrter Körper den Brettern Auftrieb gegeben, oder als stürze sie in leidenschaftlicher Abkehr von früheren Wünschen und Bedürfnissen dem Kleidungsstück hinterher, das ihr entrissen werden soll. Jewels Gesicht ist jetzt über und über grün, und ich kann hören, wie er die Luft durch die Zähne einzieht.
Wir tragen ihn durch den Flur; unsere Tritte sind unbeholfen und schwerfällig auf dem Dielenboden; schlurfend gehen wir zur Tür hinaus.
«Haltet ihn einen Augenblick fest», sagt Pa und lässt los. Er geht zurück, schließt die Tür und verriegelt sie, aber Jewel will nicht warten.
«Vorwärts», sagt er mit seiner gepressten Stimme. «Vorwärts.»
Wir tragen ihn vorsichtig die Stufen hinunter. Wir halten ihn im Gleichgewicht, als sei er etwas unendlich Kostbares; die Gesicher abgewandt, atmen wir durch den Mund, um unsere Nasen zu schonen. Wir gehen den Weg hinunter, zum Hang.
«Wir warten hier besser», sagt Cash. «Ich sag euch, er ist nicht im Gleichgewicht. Auf dem Hang brauchen wir noch einen Mann.»
«Lass einfach los», sagt Jewel. Er will nicht haltmachen. Cash fällt zurück, humpelnd, schwer atmend versucht er, mit uns Schritt zu halten, dann ist der Abstand zwischen ihm und uns zu groß, und Jewel trägt das ganze Kopfende allein, sodass der Sarg Übergewicht bekommt, als der Weg abschüssig wird, und mir wegrutscht und durch die Luft hinuntergleitet wie ein Schlitten auf unsichtbarem Schnee, weich davongleitet durch die Luft, in der eine Ahnung von seiner Form zurückbleibt.
«Warte, Jewel», sage ich. Aber er will nicht warten. Er rennt jetzt fast, und Cash bleibt zurück. Es kommt mir so vor, als habe das Fußende, das ich jetzt allein trage, kein Gewicht, als treibe es wie ein Strohhalm auf der wütenden Flut von Jewels Verzweiflung. Ich berühre den Sarg nicht einmal mehr, als Jewel sich umdreht, ihn über sich hinwegschießen lässt, ihn abfängt und ihn, ohne in der Bewegung innezuhalten, in den Wagen schleudert; er sieht mich über die Schulter hinweg an, das Gesicht überflutet von Wut und Verzweiflung.
«Geh zum Teufel, verflucht, geh zum Teufel.»
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