Als ich im Sterben lag (German Edition)
er mich sah, dachte ich an ihn als an einen, der in Sünde gekleidet geht. So wie ich ihn in Gedanken sah, sah ich auch mich: in Sünde gekleidet, er aber war der Schönere, denn das Kleid, das er gegen die Sünde eingetauscht hatte, war geweiht. Ich dachte an die Sünde wie an Kleider, die wir ablegen würden, um das schreckliche Blut mit dem verzweifelten Echo des toten Worts hoch droben in der Luft zusammenzuzwingen. Dann legte ich mich wieder zu Anse – ich belog ihn nicht, ich verweigerte mich nur, so wie ich Cash und Darl meine Brust verweigerte, als es Zeit dazu war – und hörte das dunkle Land in seiner stummen Sprache sprechen.
Ich verbarg nichts. Ich versuchte, niemanden zu täuschen. Es wäre mir gleichgültig gewesen. Ich traf nur die Vorsichtsmaßnahmen, die er für notwendig hielt um seinetwillen, nicht um mich zu schützen, nur dass ich Kleider trug für die Augen der Welt. Und wenn Cora mit mir sprach, dachte ich, wie die hehren toten Wörter mit der Zeit sogar die Bedeutung ihres toten Klangs verlieren.
Dann war es vorbei. Vorbei in dem Sinn, dass er gegangen war, und ich wusste, ich würde ihn zwar noch sehen, aber ich würde ihn nie wieder rasch und heimlich zu mir in den Wald kommen sehen, in Sünde gekleidet wie in ein prunkvolles Gewand, das schon zur Seite geweht wurde in der Eile seines heimlichen Kommens.
Für mich aber war es nicht vorbei. Ich meine vorbei im Sinn eines Anfangs und eines Endes, denn für mich hatte damals nichts einen Anfang oder ein Ende. Anse hielt ich weiterhin von mir fern; nicht, dass ich ihn vorübergehend abgewiesen hätte, sondern so, als sei es nie anders gewesen. Meine Kinder waren von mir allein, vom wilden Blut, das über die Erde schäumt, von mir und allem Lebendigen, von keinem und von allen. Dann merkte ich, dass ich Jewel in mir trug. Als meine Erinnerung mir sagte, wann es gewesen sein musste, war er seit zwei Monaten fort.
Mein Vater hat gesagt, der Sinn des Lebens sei, sich bereit zu machen fürs Totsein. Ich wusste endlich, was er meinte, aber auch, dass er selbst nicht wissen konnte, was er meinte, denn ein Mann kann nichts wissen vom Auskehren eines Hauses, nachher. So habe ich dann mein Haus ausgekehrt. Mit der Geburt Jewels – ich lag neben der Lampe, hielt den Kopf hoch und sah zu, wie er die Nabelschnur durchtrennte und das Ende vernähte noch vor dem ersten Atemzug – verrauschte das wilde Blut, und sein Geräusch verstummte. Dann war da nur die Milch, warm und ruhig, und ich lag ruhig in der trägen Stille und machte mich bereit, mein Haus auszukehren.
Ich gebar Anse Dewey Dell, um Jewel wiedergutzumachen. Dann schenkte ich ihm Vardaman als Ersatz für den Sohn, den ich nicht ihm geboren hatte. Und jetzt hat er drei Söhne, die ihm gehören, nicht mir. Und dann konnte ich mich bereit machen fürs Sterben.
Eines Tages unterhielt ich mich mit Cora. Sie betete für mich, weil sie glaubte, ich sei blind für die Sünde; sie wollte, dass auch ich mich hinknie und bete, weil Menschen, für die Sünde nicht mehr als ein Wort ist, auch Erlösung nur für ein Wort halten.
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Whitfield
Als man mir sagte, sie liege im Sterben, rang ich die ganze Nacht mit Satan und ging siegreich aus dem Kampf hervor. Mir wurde die Ungeheuerlichkeit meiner Sünde bewusst; ich sah endlich das wahre Licht, fiel auf die Knie, bekannte vor Gott und bat um Erleuchtung, und Er gewährte sie mir.
«Erhebe dich», sprach Er. «Mach deine Sünde wieder gut an diesem Haus, in das du eine lebende Lüge gepflanzt hast zwischen diese Menschen, denen gegenüber du Mein Gebot freventlich verletzt hast. Bekenne deine Schuld mit lauter Stimme. Es liegt bei ihnen, bei diesem betrogenen Ehemann, dir zu vergeben, nicht bei Mir.» So machte ich mich also auf den Weg. Ich hörte, dass Tulls Brücke fortgeschwemmt worden war, ich sagte: «Danke, o Herr, o allmächtiger Herrscher im Himmel und auf Erden», denn an diesen Gefahren und Schwierigkeiten, die ich überwinden sollte, erkannte ich, dass Er mich nicht verlassen hatte; dass meine Wiederaufnahme in Seinen heiligen Frieden und Seine Liebe umso süßer sein würden. «Lass mich nicht verderben, bevor ich den Mann um Vergebung gebeten, den ich hintergangen habe», betete ich; «lass mich nicht zu spät kommen, gib, dass das Geständnis von meinem und ihrem Vergehen nicht von ihren Lippen kommt, sondern von meinen. Sie hatte damals geschworen, niemals darüber zu sprechen, aber es ist furchterregend, der
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