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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Faulkner
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gemacht worden: Zeit, Anse, Liebe, was auch immer, alles außerhalb des Kreises.
    Dann spürte ich, dass ich Darl in mir trug. Anfangs wollte ich es nicht glauben. Dann glaubte ich, dass ich Anse umbringen würde. Es war, als hätte er mich überlistet, sich hinter einem Wort versteckt wie hinter einer Papierwand und mich aus dem Versteck in den Rücken getroffen. Aber dann begriff ich, dass Wörter mich überlistet hatten, die älter waren als Anse oder Liebe, und dass dasselbe Wort auch Anse überlistet hatte, und dass meine Rache so sein würde, dass er niemals wüsste, dass ich mich rächte. Und als Darl geboren wurde, bat ich Anse, mir zu versprechen, dass er mich nach Jefferson zurückbringt, wenn ich sterbe, denn ich wusste, dass mein Vater recht gehabt hatte, auch wenn er nicht hatte wissen können, dass er recht gehabt hatte, so wenig ich wissen konnte, dass ich im Unrecht war.
    «Unsinn», sagte Anse, «du und ich, wir haben noch lange nicht genug Kinder gemacht. Erst zwei.»
    Er wusste nicht, dass er tot war, damals. Manchmal lag ich neben ihm im Dunkeln, hörte das Land, das jetzt von meinem Fleisch und Blut war, und ich dachte: Anse. Warum Anse. Warum bist du Anse. Ich dachte über seinen Namen nach, bis ich nach einer Weile das Wort als eine Form sehen konnte, ein Gefäß, und ich sah, wie er flüssig wurde und in das Gefäß hineinfloss wie kalte Melasse, die aus dem Dunkel in das Gefäß floss, bis es voll und reglos dastand: eine bedeutungsschwere Form, vollkommen ohne Leben, wie ein leerer Türrahmen, und dann ging mir auf, dass ich den Namen des Gefäßes vergessen hatte. Ich dachte: Die Form meines Körpers hat da, wo ich früher Jungfrau war, die Form einer    , und ich konnte nicht Anse denken, mich nicht erinnern an Anse . Nicht, dass ich an mich als nicht mehr jungfräulich denken konnte, weil ich nun drei war. Und wenn ich Cash und Darl dachte, bis ihre Namen starben und sich zu einer Form verdichteten und sich dann auflösten, sagte ich: Gut. Es ist einerlei. Es ist einerlei, wie man sie nennt.
    Und so, als Cora Tull mir erklären wollte, dass ich keine gute Mutter sei, dachte ich, wie Wörter geradenwegs in einer dünnen Linie rasch und harmlos aufsteigen und wie schrecklich das Tun auf der Erde hinkrebst, sich an ihr festklammert, sodass nach einer Weile die beiden Linien zu weit auseinander sind, als dass derselbe Mensch sich von der einen zur andern strecken könnte. Und dass Sünde und Liebe und Furcht nur Geräusche sind, welche die Menschen, die nie sündigten oder liebten oder fürchteten, anstelle dessen besitzen, was sie nie hatten und nie haben werden, ehe sie nicht die Wörter vergessen. Wie Cora, die nicht einmal kochen konnte.
    Sie wollte mir erklären, was ich meinen Kindern und Anse und Gott schuldig sei. Ich habe Anse die Kinder geschenkt. Ich habe ihn nicht um sie gebeten. Ich habe ihn nicht einmal um das gebeten, was er mir hätte geben können: Nicht-Anse. Es war meine Pflicht ihm gegenüber, ihn nicht darum zu bitten, und diese Pflicht habe ich erfüllt. Ich wollte ich sein; ich wollte ihn die Form und das Echo seines Wortes sein lassen. Das war mehr, als er verlangte; er hätte es nicht verlangen und gleichzeitig Anse sein können, weil er sich selbst ja mit einem Wort benannte.
    Und dann starb er. Er wusste nicht, dass er tot war. Ich lag neben ihm im Dunkeln und hörte das dunkle Land von Gottes Liebe, Seiner Schönheit und Seiner Sünde sprechen, hörte die dunkle Stimmlosigkeit, in der die Wörter die Taten sind, und die anderen Wörter, die keine Taten sind, die nur die Lücken in den Bedürfnissen der Menschen sind, herniederfahren aus der wilden Dunkelheit wie die Schreie der Gänse in den alten schrecklichen Nächten und an den Taten herumtappen wie Waisen, denen man in einer Ansammlung von Leuten zwei Gesichter gezeigt und gesagt hat: Das ist euer Vater, das ist eure Mutter.
    Ich glaubte, dass ich es gefunden hatte. Ich glaubte, der Grund sei die Pflicht gegenüber dem Lebendigen, gegenüber dem schrecklichen Blut, der roten bitteren Flut, die durch das Land schäumt. Ich dachte an die Sünde wie an die Kleider, die wir beide vor den Augen der Welt trugen, aus notwendiger Rücksicht, denn er war er, und ich war ich; die Sünde war umso größer und ungeheurer, als er das Instrument war, ausersehen von Gott, der die Sünde erschuf, die Menschen von eben der Sünde, die Er erschaffen hatte, zu reinigen. Während ich im Wald auf ihn wartete, wartete, bevor

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