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Als ich unsichtbar war

Als ich unsichtbar war

Titel: Als ich unsichtbar war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pistorius Martin
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Veranstaltung eine Rede halten werden. Vorher aber haben wir uns an den Strand begeben, sitzen hier nebeneinander und blicken aufs Meer. Während ich an meinem Hähnchen kaue, denke ich an ein Foto, das Graham mir gezeigt hat.
    »Sie ist eine Bekannte«, sagte er, als ich die hübsche Frau betrachtete, die in die Kamera schaute.
    Er zwinkerte mit den Augen und bediente den Infrarotzeiger, welcher die winzigen Bewegungen verfolgt, die er mit seinem Kopf machen kann, und mit dessen Hilfe er sein Kommunikationsgerät steuert und zu mir spricht. Ich hätte ihm auch gerne das Foto einer Frau gezeigt, die ich liebe. Doch ich habe keins, und langsam befürchte ich, dass ich nie eins haben werde, weil ich ein ums andere Mal die schmerzliche Erfahrung machen musste, dass nur wenige Frauen über den Körper hinwegsehen können, der mich einschließt.
    Ich weiß nicht, ob meine Sehnsucht nach Liebe immer ein Teil meiner selbst gewesen ist oder ob die Saat an einem Tag gesät wurde, an den ich mich immer noch lebhaft erinnern kann, obwohl er schon mehr als zehn Jahre zurückliegt. Es war später Nachmittag, als eine Gruppe von Schwesternschülerinnen das Pflegeheim besuchte. Ich lag auf einer Matratze und spürte, wie sich jemand neben mich kniete. Als mir ein Strohhalm in den Mund geschoben wurde, schaute ich hoch und sah eine junge Frau. Langes braunes Haar rahmte ihr zartes Gesicht ein, und plötzlich überkam mich ein so starkes Verlangen, dass ich fast nach Luft ringen musste, als ich die Sanftheit ihrer Hände spürte. Ich hätte viel darum gegeben, diesen winzigen Moment bis in die Ewigkeit auszudehnen, als dieses Mädchen, das nach Blumen und Sonnenschein duftete, die Welt für mich wurde. War es dieses Erlebnis oder all das, was ich zwischen Henk und Arrietta, Dave und Ingrid, GD und Mimi gesehen habe, das mein Verlangen nach Liebe in mir zum Leben erweckte? Vielleicht war es aber auch auf die jahrelange Zuwendung und Hingabe meiner Eltern zurückzuführen, die sie mir, meinen Geschwistern und einander zukommen ließen.
    Wo immer der Grund auch liegen mag, meine Sehnsucht nach Liebe brannte noch stärker in mir, als ich zu kommunizieren begann, und erst jetzt erkenne ich, wie naiv ich gewesen bin. Ich war wirklich davon überzeugt gewesen, Liebe allein durch meinen Willen erzeugen zu können und dass ich eine Person finden würde, die jene Art von Gefühlen mit mir teilen würde, die ich als Geisterjunge gesehen hatte. Dann erfuhr ich durch Virna, dass es erheblich schwieriger war, als ich es zunächst gedacht hatte, und ich versuchte, die Lehre zu akzeptieren. Ich verabschiedete mich von meinen Gefühlen und erstickte sie in Arbeit. Ich bin für jede einzelne Bestätigung dankbar, und dennoch gibt es jetzt Zeiten, in denen ich mich genauso einsam fühle wie zu jener Zeit, als ich noch nicht kommunizieren konnte.
    Vor Jahren schon wurde mir klar, dass meine Liebe für Virna ein Mythos war, den ich für mich selbst geschaffen hatte, ein Schattenbild meiner eigenen Vorstellung, das ich niemals hätte festhalten können. Was ich auch gedacht haben mochte, sie hat in mir immer nur einen Freund gesehen, und das kann ich ihr nicht einmal zum Vorwurf machen. Doch aus den Lektionen, die sie mir ungewollt erteilte, habe ich nichts gelernt, stattdessen denselben Fehler ein ums andere Mal wiederholt. Obgleich ich mittlerweile dreißig bin, gibt es Zeiten, in denen ich glaube, immer noch so viel von den Frauen zu verstehen wie damals, als ich ein zwölfjähriger Junge und von der Dunkelheit verschlungen war.
    Anfang des Jahres reiste ich mit meinem Vater zu einem Kongress nach Israel. Ich saß in einem verdunkelten Saal und lauschte einem Professor, der über die Herausforderung und die Schwierigkeiten sprach, denen sich Menschen wie ich gegenübersehen, die eine romantische Beziehung haben wollen. Auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, wusste ich dennoch, dass er recht hatte.
    Seit ich zu kommunizieren begonnen habe, habe ich immer mal wieder versucht, Kontakt zu Frauen aufzunehmen. Doch es war jedes Mal eine Enttäuschung. Ich bin Frauen begegnet, die mich als Kuriosität betrachteten, die man mal kurz inspiziert, und anderen, die glaubten, ich sei eine Herausforderung, der man sich gewachsen zeigen muss. Eine Frau, die ich über eine Dating-Seite im Internet kennenlernte, starrte mich an, als sei ich ein seltenes Tier aus dem Zoo, während eine andere, die als Sprachtherapeutin arbeitete, mir bei einem privaten Treffen einen

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