Als ich unsichtbar war
Schwanz als Erstes eine Tasse Tee vom Tisch. Meine Eltern sprangen aus ihren Sesseln hoch, um die Schweinerei zu beseitigen, was Kojak als Aufforderung verstand, sich Dads Sessel zu bemächtigen.
»Runter!«, schrie meine Mutter.
Kojak tat, wie ihm befohlen – und sprang in Mams Sessel. Mit einem Blick hatte er die Hackordnung in unserem Haus erfasst.
»Ob wir diesen Hund wohl jemals bändigen werden?«, fragte Mam verzweifelt.
Das fragte ich mich auch, als wir später am Abend beim Essen saßen, während Kojak in der Küche eingesperrt war.
»Nein! Was hat er denn jetzt schon wieder angestellt?«, brüllte Mam, als sie in die Küche kam und einen Fußboden vorfand, der mit Speiseöl und Erbrochenem bedeckt war.
Kojak hatte den größeren Teil einer Flasche Öl mit solcher Begeisterung heruntergeschlürft, dass dieser fast ebenso schnell den Rückweg angetreten hatte. Dennoch schien er immer noch zu lächeln. Als meine Mutter zu toben begann, zogen Kojak und ich es vor, die Küche zu verlassen und einen Spaziergang zu machen. Wir kehrten erst zurück, als ich sicher sein konnte, dass Mam zu Bett gegangen und die Luft rein war.
So ungefähr lässt sich Kojak beschreiben: intelligent und charmant, aber zu jeder Schandtat bereit; clever genug, um zu kapieren, wann er ungezogen war, und verzweifelt bemüht, es nicht wieder zu tun, jedoch irgendwie unfähig, es zu unterlassen. Das Ausmaß seiner Schandtaten droht langsam unübersichtlich zu werden, so verschlang er Handys, verschwand mit mehreren Fernbedienungen für den Fernsehapparat und vernichtete so ziemlich jede verfügbare Pflanze im Garten meiner Eltern.
»Das war Kojak!«, meldet sich meine Mutter gerade mit einem spitzen Schrei. Sie steht vor ihrem Blumenbeet und betrachtet die Krater, die Kojak hinterlassen hat. Aus irgendeinem Grund kann er nicht genug bekommen von diesen bunt schillernden Paradiesvogel-Blumen, die einst Mams ganzer Stolz waren.
Kojaks Eigenarten gehen aber noch weiter. Wenn ein Autofenster offen ist, versucht er sofort, hinauszuklettern; außerdem kann er nicht lange ruhig sitzen bleiben, wenn er pinkeln muss, was dazu führt, dass er von einem Bein aufs andere hüpft, wie ein Boxer, der sich auf seinen Kampf vorbereitet. Mehrfach schon hat er mich samt meinem Rollstuhl umgerissen, weil er sich auf irgendetwas stürzen musste. Ob es sich um einen kläffenden Hund oder einen unbekannten Geruch handelt, er kann nicht widerstehen, es zu untersuchen. Wenn ich in den Swimmingpool gehe, will er sofort hinterherspringen, um mich zu retten. Eines Tages startete er während einer Unterrichtsstunde in der Hundeschule einen Ausbruchversuch, nur um nach einem Sprung über einen Zaun auf der anderen Seite einen fast zwei Meter tiefen Abhang vorzufinden. Durch die Leine aufgehalten, starrte mich Kojak an, als wolle er mich bitten, sein Leben vor dem Scharfrichter zu retten, während Dad ihn gemeinsam mit der Betreiberin der Hundeschule befreite. Die anderen Hunde schauten nur verzagt zu.
Dennoch weiß ich, dass tief verborgen in Kojak ein gescheiter Hund schlummert, der die größten Anstrengungen unternimmt, zum Vorschein zu kommen. Schon bevor ich ihn bekam, war mir bewusst, dass die einzige Möglichkeit, irgendeine Art von Kontrolle über einen Hund zu bekommen, darin besteht, ihm einige Regeln beizubringen, weshalb ich uns in einer Hundeschule anmeldete. Kojak lernt jetzt, auf nonverbale Befehle zu reagieren, und jedes Wochenende bringt uns entweder meine Mutter oder mein Vater zum Unterricht, wo wir langsam lernen, einander zu verstehen.
Wenn ich meine Faust in Brusthöhe hebe, heißt das für Kojak, dass er sich setzen soll, während ein auf den Boden weisender Finger bedeutet, sich der Länge nach hinzulegen. Die an meinen Körper gepresste Faust fordert ihn auf, wieder aufzustehen, und eine aufrecht gehaltene Hand ist für ihn der Befehl, zu warten. Glücklicherweise hat er die Grundregeln schnell gelernt, und so konnten wir uns den eher spielerischen Dingen zuwenden: Wenn ich ihm zuwinke, winkt er mit der Pfote zurück; wenn ich meine Hand schräg hochhalte, klatscht er sie mit der Pfote ab; und wenn ich meine Hand ausstrecke, hebt er die Pfote, sodass er meine Hand schütteln kann.
Es kostet Zeit, doch ich bin sicher, dass Kojak langsam etwas ruhiger wird. Er hat sogar ein paar Hilfsdienste gelernt, wie das Öffnen von Türen und das Schließen von Schubladen. Das kann manchmal zu ungewollten Ergebnissen führen: So brachte ich ihm
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