Als meine Mutter ihre Kueche nicht mehr fand
nicht im Schlamm liegst.« Schon bei der Begrüßung sagte sie mir, dass am Vortag mein Bruder Jan dagewesen sei, obwohl ich das war. Ich habe nicht weiter darauf reagiert. »Jan« und »Jörn«, zwei Namen, die man schon mal verwechseln kann. Doch so leicht ist es nicht. Ich werde von meiner Mutter nicht mehr richtig wahrgenommen. Wenn sich die Erinnerungen und Zusammenhänge in ihrem Gedächtnis auflösen, löse auch ich mich im Gedächtnis meiner Mutter auf. Ich verschwinde.
– Jörn ist schon vorgegangen.
Antworte ich.
– Den sehen wir gleich wieder.
Sie scheint beruhigt.
Nach dem Spaziergang ist sie müde und fragt nicht mehr nach diesem Jörn. Schon auf den letzten Metern zuihrem Zimmer fallen ihr immer wieder die Augen zu. Ich helfe ihr aus dem Mantel, besorgt, sie könne mir hinfallen, ziehe ihre Schuhe aus, helfe ihr, sich auf das Bett zu setzen. Sie fragt, ob im Hotelpreis das Essen mit enthalten ist. Ja, alles bezahlt. Kein Grund zur Sorge.
Als ich ihre Füße hochnehme, öffnet sie die Augen. Sie sieht glücklich aus. Wie ein Kind. Ich decke meine Mutter zu, wie eine Mutter ihr Kind zudeckt. Wir schauen uns an, grinsen. Dann lachen wir. Und ich frage nichts mehr. Sie lächelt unsicher, als ich mich verabschiede. Auf dem Heimweg versuche ich, nur an ihr strahlendes Gesicht und nicht weiter zu denken. Es gelingt. Das ist schön.
»Alle werden dement«, und was man vielleicht dagegen tun kann
Der Psychiater Hans Förstl
Ich habe mir einen Ski- und einen Fahrradhelm gekauft. Verantwortlich dafür ist Professor Hans Förstl, der zusammen mit Carola Kleinschmidt Das Anti-Alzheimer-Buch verfasst hat. Darin leugnen die Autoren nicht die Existenz der Alzheimer-Demenz, sondern sie erläutern, wie man ihr vorbeugen kann.
Der Neurologe und Psychiater Hans Förstl ist als Nachfolger von Hans Lauter Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Technischen Universität München am Klinikum rechts der Isar sowie Autor und Herausgeber von weit über zwanzig Büchern, von denen sich die meisten auf die eine oder andere Art mit dem Thema Demenz beschäftigen. Auch er glaubt, dass jeder dement wird, wenn sein Leben lang genug währt.
Gegen den Alzheimer-typischen Verfall selbst lässt sich laut Förstl so gut wie gar nichts ausrichten. Frühestens im Jahr 2030, so seine Spekulation, könne es vielleicht eine medizinische Lösung geben, welche die Demenz mithilfe einer Impfung im Durchschnitt um zehn Jahre nach hinten verschiebt. Andererseits sind die Alzheimer-Veränderungen nicht allein verantwortlich, wenn die bekannten Symptome auftauchen. So zielen Förstls Ratschläge auf die allgemeine Gesundheit und Leistungsfähigkeit unseres Gehirns. Im besten Fall kann es so lange Widerstand leisten, bis die potenziell Betroffenen, also wir alle, ohnehin einen anderen Tod sterben. Man würde, so Förstl, »seine Demenz einfach nicht mehr erleben«. Forscher wie Horst Bickel von der TU München gehen daher davon aus, dass die Zahl derBetroffenen um etwa zwanzig Prozent zurückgehen würde, wenn es gelänge, den Beginn einer Demenz um zweieinhalb Jahre zu verzögern. Von den individuellen Schicksalen einmal abgesehen, wäre das schon aus volkswirtschaftlicher Sicht ein enormer Fortschritt.
Praktischerweise entsprechen Förstls Hinweise zur Gehirngesundheit weitestgehend denen, die auch für das allgemeine Wohlbefinden entscheidend sind. Insbesondere sind das Maßnahmen gegen Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Übergewicht, einen hohen Cholesterinspiegel und Folsäuremangel. Darüber hinaus ist es ratsam, nicht zu rauchen, es mit dem Alkohol nicht zu übertreiben, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten und regelmäßig Sport zu treiben. Risikofaktoren können sich gegenseitig potenzieren. Die Ratschläge, so viel scheint sicher, können alle nicht schaden, selbst wenn führende Alzheimer-Forscher im Auftrag des amerikanischen Gesundheitsministeriums im April 2010 in einem knapp 800 Seiten langen Bericht darlegten, dass es »keinen Beweis von auch nur bescheidener wissenschaftlicher Qualität für einen Zusammenhang zwischen einem veränderbaren Einflussfaktor – Medikamente, Ernährung, Bewegung und soziales Engagement – und einem verringerten Risiko der Alzheimer-Krankheit« gebe. Damit wollten sie nicht ausschließen, dass Vorbeugung möglich ist. Sie wollten nur klarstellen, dass es für einen Erfolg der vielen guten Ideen keine wissenschaftlichen Belege gibt.
Förstl setzt ganz allgemein auf
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