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Als meine Mutter ihre Kueche nicht mehr fand

Als meine Mutter ihre Kueche nicht mehr fand

Titel: Als meine Mutter ihre Kueche nicht mehr fand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joern Klare
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den Aufbau und die Pflege einer schützenden »Gehirnreserve«, die er als eine Art »mehr oder weniger gut ausgebautes Straßennetz« beschreibt: »In einem Gehirn mit großer kognitiver Reserve führen viele Wege zum Ziel. Überall gibt es Querverbindungen, kleine Nebenstraßen, Schleichwege. Und wenn irgendwo ein Weg versperrt ist oder eine Baustelle das Durchkommen erschwert, dann nimmt man einfach einenanderen Weg, eine Nebenstraße oder einen Schleichpfad zwischen den Häusern hindurch. Man kommt trotzdem an – und häufig nicht einmal langsamer.«
    Übertragen auf das Gehirn geht es dabei nicht um die Vermehrung von Nervenzellen, deren Zahl weitgehend genetisch bedingt ist, sondern um eine möglichst dichte Vernetzung. Wie das geschehen soll, ist zusammengefasst wunderbar einfach: Man braucht nur ein lebendiges Sozialleben und ausreichende geistige Anregungen im Sinne des lebenslangen Lernens. Reines Gedächtnistraining sollte dabei aber nicht überschätzt werden. Dass sich dessen Nutzen wissenschaftlich kaum nachweisen lässt, kommentierte Professor Nehen in Essen, immerhin Vorsitzender des Bundesverbandes Gedächtnistraining, mit der Bemerkung: »Es soll vor allem Spaß machen!«
    Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Phänomen, von dem erstmals 2007 Forscher in Südkorea berichteten, wo immer mehr junge Berufstätige zwischen zwanzig und dreißig Jahren über Gedächtnisschwächen insbesondere bei Telefonnummern und Passwörtern klagen. Passend dazu erklärte der Hirnforscher Hans Markowitsch im Stern : »Durch die zunehmende Digitalisierung können Menschen nicht mehr so gut Daten im Kopf behalten.«
    Wenn Nummern und Passwörter häufiger im Mobiltelefon als im Gehirn abgespeichert und selbst einfachste Rechenaufgaben dorthin ausgelagert werden, lässt die Merkfähigkeit offensichtlich nach. »In Tests fällt uns immer wieder auf, dass diese Generation Telefonnummern oder zum Beispiel das Einmaleins nicht mehr so gut aus dem Gedächtnis wiederholen kann wie frühere Generationen«, so Markowitsch. Für die »digitale Demenz« macht der Hirnforscher auch die Schulerziehung verantwortlich, in der »kaum noch ein Gedicht auswendig gelernt und selbst für Grundrechenarten der Taschenrechner benutzt« werde.
    Aber auch von diesen Alltagsaufgaben abgesehen, stellten Forscher der Columbia-University in New York mit einer Reihe von Experimenten fest, dass immer mehr Menschen, so die Süddeutsche Zeitung , »ihr Gedächtnis mit Suchmaschinen und Datenbanken teilen«. Im Vertrauen darauf, die nötigen Wissensinhalte jederzeit abrufen zu können, werden diese nicht dem Gehirn, sondern dem digitalen Netz überlassen. Dabei werden in erster Linie der Speicherort sowie der Weg dorthin gemerkt und nicht die Information selbst. Das Phänomen, dass wir nach der Devise »Ich muss nicht alles wissen. Ich muss nur wissen, wo es steht« immer stärker das Internet als persönliche Gedächtnisbank nutzen, nennen Kognitionsforscher mittlerweile »Google-Effekt«. Dem ist wohl am besten entgegenzuwirken, indem man statt zu »googeln« hin und wieder doch noch mal seinen Synapsen eine Chance gibt.
    Auch Facebook bietet einem Demenzbetroffenen letztlich keinen Trost. Wer sein Leben zu größeren Teilen in diesem alles sammelnden sozialen Netzwerk verbringt, verfasst bekanntermaßen nebenbei eine digitale Biografie, auf die er mithilfe des Archivs jederzeit zurückgreifen kann. Ein digitales Gedächtnis der persönlichen, je nach Datenschutz aber nur bedingt privaten Art. Vergessen unmöglich. Ob man will oder nicht. Einem Menschen mit Demenz hilft das aber nur sehr bedingt. Denn er verliert die Fähigkeit, eine Struktur zu bauen, um seine Erinnerungen einzuordnen. Wenn ich mit meiner Mutter ein altes Fotoalbum durchsehe, erkennt sie vielleicht einzelne Personen und Orte, die Zusammenhänge kann sie aber nicht mehr herstellen. Zurück zu Förstl. Der empfiehlt zudem, das Gehirn öfter mal »quer denken zu lassen«, ihm »neue Sichtweisen zu gönnen«, »ausgetretene Pfade zu verlassen« und die grauen Zellen wörtlich »auf Trab zu bringen«, weil selbst profaner physischer Ausdauersport die Hirnleistung deutlich steigert.
    Während Menschen mit längerer Schulbildung darüberhinaus ganz allgemein ein nachgewiesen niedrigeres Demenzrisiko haben, wird dieses durch Dauerstress, Schlaganfälle, Depressionen und Verletzungen wie etwa Gehirnerschütterungen erhöht. Genau deswegen trage ich ab jetzt beim Fahrrad- und Skifahren

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