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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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könnte nach England kommen und Eure Hände halten, wie wir es immer getan haben, wenn es etwas Wichtiges zu besprechen gab. Dann würde ich ihn Euch vorlesen. Diesen Brief schreibe ich nicht nur für Euch, sondern auch für mich selbst. Denn manchmal (wie ich Euch schon unzählige Male gesagt habe) habe ich das Gefühl, dass erst das Niederschreiben die Dinge wahr und ganz macht.
      Ich möchte damit beginnen, dass die einzige Quelle des Glücks in meinem Leben meine Liebe zu Euch war. Und heute, an dem Tag, an dem Ihr beide Euch aufgemacht habt in ein neues Leben, das ich vielleicht nie kennenlernen werde, spüre ich, dass der Zeitpunkt gekommen ist, um Euch die Wahrheit zu sagen, die zu wissen Ihr als meine Kinder ein Anrecht habt. Dies also ist die Geschichte meines Lebens, so einfach, wie ich sie niederschreiben kann.
      Ich war nicht verliebt am Tag meiner Hochzeit. Ich habe aus einem Impuls heraus geheiratet, möglicherweise aus dem Bedürfnis nach Sicherheit, möglicherweise um Abenteuer zu erleben. Was immer auch die Gründe gewesen sein mochten, schon bald habe ich bemerkt, dass ich einen schrecklichen Fehler begangen hatte. Duncan kümmerte sich mehr um seine Arbeit als um alles andere. Ich war einsam. Ich vermisste Schottland. Ich vermisste meine Schwester. Ich vermisste meine Eltern. Und ich hatte das Gefühl, die Chance verpasst zu haben, im Leben zu lieben und geliebt zu werden.
      Zu Beginn des Ersten Weltkriegs verließ Duncan Barbados und trat in die Marine ein, in dem Glauben, nur für ein paar Monate fort zu sein. Ich blieb zurück, um mich um Dich, Sam, zu kümmern, Du warst damals zwei Jahre alt. Ich sehnte mich nach Kameradschaft, und als Duncan fort war, verliebte ich mich.
      Gabriel Nischal Ramsay war Halb-Inder, und sein zweiter Vorname, der so gut zu ihm passte, bedeutete »Ruhe«. Ich nannte ihn immer Nishy. Sein britischer Vater, Mr Ramsay, hatte für den Maharadscha von Jaipur gearbeitet und wie schon sein Großvater vor ihm die fürstlichen Elefanten betreut. Zeit und Wissenschaft schritten voran, und mit der Ankunft des Automobils wurden Arbeitselefanten am Fürstenhof nicht länger als Beförderungsmittel eingesetzt. Eine der wichtigsten Aufgaben Mr Ramsays war die Aufsicht über die Instandhaltung der Autos des Maharadschas, eine Arbeit, auf die er stolz war und die ihm viel Freude bereitete. Obwohl Nishys Eltern zusammen glücklich waren, hatte
seine Mutter, die Englischlehrerin der Kinder des Fürsten und eine Frau von großer Schönheit, zu Beginn ihrer Ehe eine kurze Affäre mit dem jüngeren Bruder des Maharadschas und empfing ein Kind von ihm. Nishys Phiole fürstlichen Blutes war bei Hofe wohlbekannt und wurde akzeptiert, auch wenn niemand darüber sprach.
      Auf der Suche nach Abenteuern verließ Nishy 1912 den Hof in Rajasthan und reiste in die Karibik, wo er eine Stelle auf Duncans Plantage annahm. Er arbeitete hart und war wohlgelitten, besonders bei Duncan. Bald wurde Nishy zum Plantagenverwalter befördert, und in seiner Freizeit sorgte er dafür, dass mit dem Wagen alles in Ordnung war.
      Im Frühherbst 1915 erhielt Duncan die Erlaubnis für einen Heimaturlaub auf der Plantage, aber (und hier muss ich mich entschuldigen, denn ich enthülle vor Euch etwas, was Kinder von Müttern nicht hören sollten) ich konnte es nicht über mich bringen, meine ehelichen Pflichten wahrzunehmen.
      Duncan nahm mir die Zurückweisung sehr übel, und wenige Wochen nachdem er verärgert und gedemütigt zur Marine zurückgekehrt war, entdeckte ich, dass ich mit Nishys Kind schwanger war. Nishy und ich erzählten niemandem davon außer Bertha, deren bedingungslose Treue mir all die Jahre über Kraft gegeben hat. Als Du, May, im Frühsommer 1916 zur Welt gekommen bist, ein Viertel Inderin und mit fürstlichem Blut gesegnet, benannten Nishy und ich Dich nach Deinem Geburtsmonat und nach einer Jahreszeit, in der die ganze Welt voller Hoffnung und Verheißung erscheint.
      Im Sommer 1917 kam Duncan zurück nach Barbados und warf einen Blick auf Dich als ein Jahr altes Baby. Als er Deine olivfarbene Haut sah, May, begriff er, was geschehen sein musste. Es kam zu einem schrecklichen und brutalen Streit, und Nishy, der um sein Leben fürchtete, kehrte nach Rajasthan zurück. Er wollte, dass ich ihm folge, aber Duncans Drohungen, alle Schuld mir zuzuweisen, untergruben meine Entschlossenheit. Jeden Tag
betete ich um den Mut, Euch auf den Arm zu nehmen und zu Nishy nach Indien, zu

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