Als Mrs Simpson den König stahl
befinden, die ihre ständigen Streitereien kaum dämpften, hatte ihr nie gefallen. Aus Gewohnheit hatte sie jedoch nie daran gedacht, sie um ein anderes Zimmer zu bitten.
Das Haus in Barbados mit seinen eleganten jakobitischen Proportionen, seiner geschwungenen Treppe, seinen von Briten entworfenen Gesimsen und seinen wunderschön geschnitzten Holztüren war einst eine prachtvolle Wohnstätte gewesen. Doch das westindische Zuckerexportgeschäft florierte nicht mehr wie noch zu Zeiten ihrer Großeltern. Finanzielle Belastungen im Ge
folge der Großen Depression in Großbritannien und die Konkurrenz anderer Zuckeranbauländer hatten die Nachfrage ausgehöhlt, und May wusste, dass die Sparmaßnahmen, die ihre Eltern hatten ergreifen müssen, unerlässlich gewesen waren. In den letzten paar Jahren war das Hauspersonal von einem Dutzend Bediensteter auf zwei Zimmermädchen geschrumpft, die ins Haus kamen, um sauberzumachen, Staub zu wischen und Bertha, der gut gelaunten rundlichen Köchin, zur Hand zu gehen. Bertha bereitete sämtliche Mahlzeiten für die Familie wie auch das Mittagessen für die Plantagenarbeiter zu. Bekanntermaßen war ihre Schulter ein Kissen, das sie allen Mitgliedern der Gemeinschaft zur Verfügung stellte, damit sie sich, wann immer sie wollten, anlehnen oder ausweinen konnten. Das Personal wurde von Berthas Mann Tom vervollständigt, einem Mann, dessen Stärke sein Zahlengedächtnis war und der die wöchentlichen Abrechnungen mit eindrucksvoller Genauigkeit bewerkstelligte. Der alte Plantagenchauffeur war zwei Jahre zuvor gestorben, und es war Duncans Idee gewesen, ihn durch seine eigene Tochter zu ersetzen – unbezahlt. Selbst der Rolls-Royce, so lange schon Stolz und Freude von Mays Großvater und Vater, hatte begonnen, unwiderrufliche Anzeichen des Alters zu zeigen, da mochte May seinen grünen Lack noch so oft polieren.
May folgte Nat die knarrende Leiter hinab und lächelte bei dem Gedanken daran, wie glücklich ihre Mutter und Bertha wären, wenn sie wüssten, wie freundlich Gladys' einziger Sohn Nat sie aufgenommen und was für einen ausgezeichneten Charakter er hatte. May hatte die Geschichten Ediths über ihre geliebte Schwester unzählige Male gehört, eine leidenschaftliche Verfechterin des Frauenwahlrechts, die vor dem Krieg im Gefängnis von Holloway eingesperrt worden war, weil sie durch die Fenster eines Regierungsgebäudes Ziegelsteine geschleudert hatte. Nach Gladys' und Bobs Tod hatte Edith mit deren Sohn Nathanial brieflich Kontakt gehalten. Die Nachricht von
seiner Heirat mit einer schönen Jüdin stimmte sie ungemein glücklich.
Ihres Wissens war May noch nie einem Juden begegnet, und Nats schriftliche Berichte über Sarah und seine neue Familie hatten sie und Sam fasziniert. Die Urgroßeltern seiner Frau waren Mitte des letzten Jahrhunderts aus Russland ausgewandert, um sich im Londoner East End niederzulassen, wo sie ein halbes Dutzend Kinder aufgezogen hatten. Rachels Großvater war Schneider gewesen, und seine fünf Söhne, darunter Rachels Vater, hatten alle dasselbe Handwerk ausgeübt. Das Talent für Nadel und Faden hatten sie offensichtlich mit der Muttermilch eingesogen. Die einzige Tochter der Familie, Rachel, hatte sich in Simon Greenfeld, den Sohn des Partners ihres Vaters, verliebt, und aus der Ehe war ein einziges Kind hervorgegangen. Bei Sarahs Geburt hatte Rachel schreckliche Komplikationen erlitten, die jede weitere Empfängnis vereitelten, und obwohl man bei Tassen tröstenden Tees verzweifelt die Hände gerungen hatte, weil es nun keinen Sohn geben würde, war die Enttäuschung alsbald vergessen, so sehr opferten Rachel und Simon sich für ihre Tochter auf.
Hinter ihrer rauen Schale widmete sich die ewig nörgelnde Rachel fürsorglich nicht nur dem Wohlergehen ihrer Tochter, sondern auch den ihres Mannes; Tag und Nacht machte sie einen Tanz um Simon. Sie wollte unbedingt verhindern, dass er an Herzverfettung erkrankte, so wie der Ehemann ihrer Nachbarin Mrs Cohen. Mr Cohen war so dick geworden, dass sein Sarg nicht durch die Haustür passte. Vor den Augen der ganzen Nachbarschaft musste er steif wie ein Stock aus dem Haus getragen werden. Es war eine würdelose Szene, zumal es Mrs Cohen in ihrem Schmerz versäumt hatte, ihren Mann in seinen besten Anzug zu kleiden. Wie er so zum letzten Mal in einem gestreiften Wollpyjama die Oak Street verließ, zog er etliche Bemerkungen auf sich.
Aber Essen, ob zu viel oder zu wenig, war nicht Rachels ein
ziger
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