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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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Radioapparat aus Kastanienholz, und an der Wand hingen zwei Regale voller Bücher.
    »Kommt und schaut euch den Rest des Hauses an, solange wir darauf warten, bis das Teewasser kocht«, sagte Nat und führte May und Sam nach nebenan.
    Ein schmaler Holztisch war an einem Ende mit einer dicht befransten dunkelgrünen Samtdecke überzogen und zum Tee gedeckt, während am anderen Ende säuberlich die Gerätschaften für Sarahs Gewerbe auslagen: mehrere polierte Scheren, eine Kollektion stacheliger rosafarbener Lockenwickler, eine Vielzahl von Haarbürsten unterschiedlicher Größe, eine mit den handschriftlichen Lettern »Bleichmittel« versehene Silberdose und zwei Rasiermesser, alles in präzisen Reihen angeordnet. Hinten auf einem Regalbrett waren wunderschön frisierte Perücken ausgestellt, die darauf warteten, dass ihre Besitzerinnen eintrafen und sie von ihren hölzernen Haltern nahmen. Ein kleiner Spiegel, der gegenüber einem bequem aussehenden Stuhl mit Armlehnen in Augenhöhe an der Wand angebracht war, rundete Sarahs Salon ab. Das Ganze sah nach Effizienz aus. Es lag auf der Hand, wer für Rachels elegante Frisur verantwortlich war.
    Nat führte May und Sam durch einen schmalen Gang zum hinteren Teil des Hauses, wo man eine auf verzierten Metallfüßen stehende Badewanne ohne Wasseranschluss in eine Ecke gequetscht hatte. Auf dem Badewannenrand balancierte eine Untertasse mit einem Stück rosa Lifebuoy-Seife. Draußen zeigte ihnen Nat einen winzigen Hof mit einem Schuppen, der das Plumpsklo beherbergte, und einem mit Erde gefüllten hölzernen Blumenkasten, in dem einige kümmerliche Schösslinge um ihr Leben kämpften. Als May sich unter die Wäscheleine duckte, sah sie eine Tür, die zur Gasse hinter dem Haus führte.
    Oben gab es zwei Schlafzimmer. Das von Nat und Sarah war licht, sonnig und von einem hübschen Bett beherrscht, auf dem sich Kissen und bunte Umschlagtücher türmten, unter denen etwas Filigran-Feminines hervorlugte. Vor der zweiten Tür blieb Nat stehen.
    »Das ist Rachels Boudoir«, sagte er und musste darüber lachen, dass er für das einzige Zimmer, in dem über die sonst herrschende Ordnung ein heilloses Durcheinander gesiegt hatte, ein so ausgefallenes Wort verwendete. Der größte Teil der gegenüberliegenden Wand wurde von einer großen Anrichte eingenommen, auf deren Tellerborden sich russische Ikonen und vergoldete Kerzenhalter drängten; das Wachs der halb heruntergebrannten Kerzen war mitten im Lauf erstarrt. Neben der Anrichte stand ein Ganzkörperspiegel, in dessen Rahmen reihum verblasste Fotografien und Ansichtskarten steckten. Gleich neben der Tür hing ein kleines Bücherbord, das statt Büchern eine Reihe von Bechern enthielt, die mit Blumen und Krönchen geschmückt waren und jeweils das Porträt eines britischen Königs oder einer britischen Königin zeigten. Da gab es Edward VII . und seine Königin Alexandra an ihrem Krönungstag, seinen Sohn George V . und Königin Mary an ihrem und dasselbe königliche Paar anlässlich ihres erst im vergangenen Jahr gefeierten Silberjubiläums.
    »Jetzt muss ich euch noch das letzte Zimmer zeigen«, sag
te Nat, rückte eine Leiter zurecht und begann hinaufzusteigen.
    Auf einer Seite des Dachgeschosses waren vom Boden bis zur Decke Dutzende von Stoffballen aufeinandergestapelt, der Überschuss von Simons Werkstatt, erklärte Nat. Auf der anderen Seite stand ein Kinderbett aus Messing; an jedem Pfosten glänzte ein kupferner Knauf. Auf dem Kaminrost in der Ecke war bereits ein Kohlenfeuer entzündet, doch May richtete ihre Aufmerksamkeit auf das Dachfenster. Als sie sich auf das Bett stellte und ein wenig den Hals reckte, hatte sie einen herrlichen Blick auf die angrenzende Cyprus Street bis hinauf zum Kriegerdenkmal.
    »Tante Edith hat ja schon immer gesagt, dass du schlank bist«, sagte Nat, der sich über Mays Vergnügen an dem Zimmer sichtlich freute. »Da haben wir gehofft, du würdest hier hereinpassen. Wenigstens hast du das Zimmer ganz für dich. Ich fürchte, Sam wird sich unten auf dem Sofa ausstrecken müssen.«
    Nach einem eigenen Zimmer, so klein es auch sein mochte, mit einer Leiter, die zu einer eigenen Tür führte, hatte May sich schon immer gesehnt. Daheim in Barbados hatte sie trotz der komfortablen Größe des Hauses immer in ihrem alten Kinderzimmer geschlafen, das auf einer Seite durch eine Verbindungstür ins Schlafzimmer ihrer Eltern und auf der anderen zur Treppe ging. Sich in Hörweite ihrer Eltern zu

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