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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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eine Kleideranprobe, informierte sie ihn, und zwei vielversprechend klingende Einladungen zum Tee, die längst in ihren Terminkalender eingetragen seien. Außerdem sei es Julians Bedürfnis, das Leben in diesen nordenglischen Städten kennenzulernen; sie habe allerdings nicht das Gefühl, dass das ihre Sache sei, sie wäre ihm bestimmt nur hinderlich und würde ihm in die Quere kommen. Viel besser sei es, May, die Fahrerin der Blunts, auszuleihen; diese kenne ihre Stellung in der Gesellschaft und werde ihn nicht stören, sondern ihm erlauben, sich auf all das zu konzentrieren, was er dort oben im Norden entdecken wolle, was immer es sei. Da der Vorschlag, sich von May chauffieren zu lassen, von Lottie selbst stammte, die keine Gefahr darin sah, dass eine Bedienstete ihren Liebsten auf einer solchen Reise begleitete, fühlte sich Julian ziemlich schuldlos, als er Lottie beipflichtete, dass dies eine wahrhaft geniale Lösung sei.

12
    Die Fahrt in den Norden hatte für May mit einer kleinen Katastrophe begonnen. In ihrem Bestreben, Julians Gepäck ordentlich im Wagen zu verstauen, hatte sie ihre eigene Reisetasche vergessen. Julian konnte beim besten Willen den Grund nicht erraten, weshalb seine faszinierende junge Begleiterin plötzlich in beunruhigendes Schweigen verfiel. Eine ungleichmäßige Rötung in Form von widerspenstigen roten Flecken stieg ihr von den Schlüsselbeinen ins Gesicht. Er hatte den schrecklichen Eindruck, dass sie kurz davor stand, in Tränen auszubrechen.
    »Möchten Sie etwas gestehen? Haben Sie etwa, ohne ein Wort zu sagen, ein Tier überfahren? Oh, tut mir leid. Das ist nicht komisch. Entschuldigung.«
    May errötete noch mehr.
    »Ich habe meine Reisetasche vergessen.«
    Einen Moment lang schwiegen beide.
    Dann fiel Julian ein, dass er zwei Ersatzhemden dabeihatte. »Sie können eins davon haben. Wir werden eine Zahnbürste und etwas Seife kaufen. Schließlich ist es nur für ein paar Nächte.«
    Sie hatte mehrfach betont, wie unangenehm es ihr sei, dass ihr so etwas Dummes passiert war. Aber sie hatte sein altes Hemd akzeptiert und am nächsten Morgen berichtet, dass sie sehr gut geschlafen habe.
    Die drei jungen Leute zogen es vor, ihr Frühstück in einem nahegelegenen Café einzunehmen, statt an dem schmuddeligen Linoleumtisch in der Küche der Pension, der mit einer fast leeren Flasche Worcestersauce, ein paar Häufchen uralter Brotkrumen und irgendwelchen unidentifizierbaren Lachen Flüssigkeit auf dem schmierigen Wachstuch mehr als abschreckend wirkte. Bei einer Tasse Tee und einer Scheibe Toast sagte Peter, er beabsichtige, seinen Freund Eric noch vor Jahresende nach Spa
nien zu begleiten. Obwohl ihre Bekanntschaft noch ganz frisch war, verlieh Peters Leidenschaft für die Sache seiner Einladung, Julian möge sich ihnen anschließen, eine Ernsthaftigkeit, die sehr überzeugend wirkte. Die Kommunistische Partei könne jede Hilfe gegen die Rechten gebrauchen, die sie bekommen könne, erklärte Peter eifrig. Wenn Julian glaube, schon der Bergbau hier vor Ort stecke in Schwierigkeiten, solle er erst einmal einen Blick auf die Arbeitsbedingungen in Spanien werfen. Weitreichende Konflikte seien dort nicht nur unvermeidlich, sondern stünden unmittelbar bevor. Peter wollte dabei sein, um das Geschehen für die Nachwelt festzuhalten, und Julian versicherte ihm, über seinen Vorschlag ernsthaft nachdenken zu wollen.
    Als sie das hell erleuchtete und stickig heiße Café verließen, mussten sich ihre Augen erst an die draußen herrschende Dunkelheit gewöhnen. Sie verabschiedeten sich von Peter und wünschten ihm alles Gute für seine Recherchen und seinen Vortrag. Julian und May waren beide fröhlich gelaunt. Als sie um die Ecke bogen, fiel ihr Blick auf eine riesige orangefarbene Wunderkugel, die auf einer hohen schwarzen Stange balancierte. Julian erkannte das Blinklicht sofort. Ein Parlamentsfreund von Sir Philip, Verkehrsminister Hore-Belisha, nach dem der »Belisha Beacon« benannt war, hatte im vergangenen Sommer, kurz nachdem das erste Blinklicht aufgestellt worden war, in Cuckmere übernachtet. Julian gegenüber hatte er gescherzt, endlich hätten die Fußgänger ihre Unabhängigkeit von der Tyrannei der Automobile erlangt.
    »Sie sind Zeuge eines historischen Orientierungspunktes der Zukunft«, versicherte Julian seiner Chauffeurin in übertrieben theatralischem Tonfall.
    Aber May blickte lediglich etwas gelangweilt drein.
    »Ich dachte, Sie würden sich dafür interessieren, wo Sie

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