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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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nächsten gesellschaftlichen Verpflichtung zu und den Personen, die dazu eingeladen werden mochten. Um der Wahrheit ins Gesicht zu blicken, Lottie langweilte ihn. Sie ging nicht einmal gern ins Kino. Sie erklärte, Lichtspielhäuser seien eine Brutstätte für Krankheitserreger und würden allesamt nach ranzigem Frittierfett und Essig riechen. Fish & Chips war Julians Lieblingsessen. Eines Tages würde er eine Frau finden, die auch seine Leidenschaft für dieses Gericht teilte. Und wenn sie es nicht täte, würde er sie irgendwie dazu bringen.
    Er sehnte sich danach, mit Lottie mehr zu tun, als sie nur zu küssen und über ihren Schenkel zu streichen, aber das kam überhaupt nicht in Frage. Abgesehen von der Episode auf dem Tennisplatz, die Lottie halb im Scherz als »Lotties Lapsus« bezeichnete, hatte sie Julian lediglich einmal gestattet, sein Gesicht an ihrem Hals zu vergraben, obwohl er die Erfahrung nicht sonderlich genossen hatte. Zu seiner Überraschung erinnerte ihn der bittere Geruch ihrer Haut an seine Mutter. Ohnehin hatte ihm Lottie klargemacht, dass ihre Grenze in diesem Punkt an der Mulde zwischen ihren Schlüsselbeinen verlief, wo ihr hübsches Smaragdhalsband auflag, und Julian erhob keine Einwände. Einmal, als sie in einem Salon am Belgravia Square wieder einen Cocktail zu viel getrunken hatte, war sie auf dem rosafarbenen Samtsofa an seiner Schulter zusammengesunken und hatte zugegeben, ihre Mutter habe ihr gesagt, dass »es« nicht nur ziemlich wehtue, sondern dass das ganze klebrige Brimborium offen gestanden überschätzt werde.
    Wäre Julian älter und verheiratet gewesen, hätte sich längst eine unkomplizierte Möglichkeit ergeben, mit einer anderen Frau zu schlafen. Das taten alle. Und selbst ein lediger älterer Mann hätte seine Wahl unter der Vielzahl gelangweilter Ehefrauen treffen können, die die aristokratischen Gesellschaftszim
mer Großbritanniens schmückten und bedrückten. Wie konnte es sein, dass die ältere Generation es so leicht hatte, während Julians eigene Altersgruppe, jünger und frustriert, gezwungen war zu warten?
    Manchmal fragte sich Julian, ob er einen guten Liebhaber abgeben würde. Die Studentinnen in Oxford, deren nie ganz sauberes Haar stets streng nach hinten aufgesteckt war und ihnen somit einen kühlen Anstrich von Intellekt, niemals aber von Poesie verlieh, waren durchgängig unattraktiv. Ebenso wenig lockte ihn die Vorstellung, nach London zu reisen und eine Prostituierte für die einschlägige Erfahrung zu bezahlen. Allerdings hätte er sich in den Bauch beißen können, dass er, als es am vergangenen Wochenende in Cuckmere Park an seiner Schlafzimmertür klopfte, nicht geöffnet hatte. Lady Bridgewater, die amerikanische Gattin eines ranghohen Kabinettsmitglieds und mit siebenundfünfzig Jahren auf verblichene Weise noch immer attraktiv, hatte beim Abendessen unter dem Tisch höchst verführerisch sein Knie gedrückt. Rupert hatte erst kürzlich einem ähnlichen Kniedrücken nachgegeben, aber obwohl er Julian versichert hatte, die Erfahrung sei eher enttäuschend gewesen, war Julian nicht danach zumute, mit ihm Erfahrungen über das erste Mal auszutauschen, ob gute oder schlechte.
    Als er über sein unangebrachtes Benehmen Evangeline gegenüber an jenem schrecklichen Abend in Bryanston Court nachdachte, ärgerte er sich darüber, dass er ihr halb mutwillig falsche Hoffnungen gemacht hatte. Er wusste nicht, was in ihn gefahren war. Sie war fast alt genug, um seine Mutter zu sein, selbst wenn der Altersunterschied ihr nichts auszumachen schien. Außerdem deutete ihr unbeholfenes Verhalten darauf hin, dass sie die Erfahrung körperlicher Liebe (oder sollte er sagen: Lust?) noch nicht gemacht hatte. Aber in ihrem Alter musste Evangeline doch wohl Dutzende von Geliebten gehabt haben! Er ärgerte sich grün und blau, dass er beim ersten Anblick dieser übergewichtigen Frau mittleren Alters in dem unvorteilhaften und
zugleich gewagten Kleid versucht hatte, seine Abscheu zu verbergen. Wie gewöhnlich beging er den Fehler, es zu weit in die falsche Richtung zu treiben und mit ihr zu flirten. Kaum hatte sein verhängnisvolles Augenzwinkern jenen Blick verzweifelten Verlangens bei ihr ausgelöst, wusste Julian, dass er sich in Schwierigkeiten gebracht hatte.
    Zu seiner Erleichterung hatte Lottie auf den österlichen Ausflug in den Norden Englands nicht mitkommen können. Wenn sie erst einmal einen Vorsatz gefasst hatte, konnte sie sehr dickköpfig sein. Sie habe

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