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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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grüne Zuckerrohr strich. Sie erzählte vom Glanz des neuen Grüns an den Halmen, das die Farbe zerdrückter Erbsen hatte, und schilderte, wie sie die wächserne Haut von den Halmen geschält und den klebrig süßen Saft herausgesaugt hatte. Sie sprach von den Märkten, die auf den Dorfplätzen abgehalten wurden und zu denen die Leute aus der ganzen Umgebung strömten. Auf den Köpfen balancierten sie Körbe, vollbepackt mit leuchtenden Avocados, mit oliv- und korallenfarbenen Mangos, mit Zitronen, an denen noch die belaubten Zweige hingen, mit leuchtend grünen Paprika und halbmondförmigen Chilischoten. Und ohne ihre Mutter oder den Badeunfall zu erwähnen, erzählte sie ihm von den menschenleeren Stränden der Insel unterhalb der Klippen, die von dürren Weißdornbäumen gesäumt waren, gekrümmt von Stürmen, die sich seit Jahren bemühten, sie aus ihrem dürftigen Erdreich zu reißen. Als sie schließlich ausholte, um das Meer selbst in all seiner bezaubernden, unablässig wogenden, gefährlichen tiefblauen Schönheit zu beschreiben, verstummte sie, erschöpft von der Macht der Erinnerung.
    Julian blickte sie an.
    »Danke«, sagte er schließlich. »Das war wunderschön. Sie sind wunderschön.«
     
    Julian und May blieben noch zwei weitere Tage in Wigan, und als es an der Zeit war, abzureisen, hatte Julian tatsächlich etwas gelernt, wenn auch nicht die Lektion, mit der er gerechnet hatte. Statt des abgeklärten, analytischen Mitleids, das er als Vermächtnis seines Besuchs im Norden vorausgesehen hatte, hatte er eine Erfahrung gemacht, die schwerer zu fassen und wertvoller war, eine Erfahrung, die ihn demütig werden ließ. Er fühlte sich gepeinigt von seiner Selbstgefälligkeit.
    Während der langen Rückfahrt hatte Julian Mühe, herauszufinden, wie er auf die zurückliegenden Tage reagieren sollte. Wie er so zwischen verschiedenen intellektuellen und emotionalen Möglichkeiten schwankte, kehrten verworrene alte Gedanken zu ihm zurück. Vielleicht könnte er sich ja, wenn er erst einmal seine Prüfungen hinter sich gebracht hätte, freiwillig für eine Unterrichtstätigkeit an einer Schule melden.
    »Na, das ist doch mal eine Idee«, äußerte May vorsichtig.
    »Bildung ist alles«, sagte er und fügte in unbeschwerterem Ton hinzu: »Vielleicht sollten wir auf unserer nächsten Reise den König mitnehmen?« Gemeinsam, so fantasierte er vor sich hin, könnten sie ihn vielleicht davon abbringen, Lösungen in Deutschland zu suchen, und ihn zwingen, sich auf die Probleme im eigenen Land zu konzentrieren.
    »Vielleicht würde er uns hören, aber glauben Sie, dass er uns wirklich zu hören würde?«, fragte er May mit einem leisen, harten Lachen. Eine Antwort erwartete er nicht.
    Auf Mays Bitte hin sprach er über den Ersten Weltkrieg. Im Rahmen seiner Abschlussprüfung studiere er Ursache und Wirkung des Krieges. Aufgrund der harten Strafbestimmungen des Friedensvertrages mit Deutschland, der das Ende des vierjährigen Konflikts markierte, habe der Wirtschaftswissenschaft
ler John Maynard Keynes furchtbare Folgen vorausgesagt. Das Problem liege darin, erklärte Julian, der wieder einmal weitschweifig wurde, dass bei all der Mühe, die man sich gebe, den Patriotismus mit anderen Zutaten eines emotionalen Eintopfs zu verdünnen, dieser immer wieder nach oben steigen werde, wie Fett, das sich an der Oberfläche einer Fleischbrühe absetze. Noch immer seien so viele ältere Menschen am Leben, die es für eine Ruhmestat hielten, fürs Vaterland zu sterben. Seiner Ansicht nach eine Tollheit. Julian sah May an. Sie hielt den Blick fest auf die Straße vor ihr gerichtet, doch ein gelegentliches bejahendes Nicken zeigte ihm, dass sie zuhörte. Er fuhr fort. Ein Freund in Oxford studiere Wirtschaftswissenschaft bei einem Professor, der mit Keynes eine Affäre gehabt und diesen (»wohlgemerkt, nur außerhalb des Bettes«) zum furchterregendsten Mitglied jener Gruppe von Künstlern, Schriftstellern und Denkern erklärt habe, die sich Bloomsbury Group nannten. Kopf der Clique sei Virginia Woolf, Verfasserin leuchtender, poetischer Prosa und neben James Joyce eine der innovativsten Autorinnen des Jahrhunderts.
    »Ich habe sie einmal im Radio gehört. Sie hat eine schöne Stimme«, sagte er, offenbar beeindruckt von der Frau. »Und nach den Fotos zu urteilen, die ich von ihr gesehen habe, hat sie auch ein sehr schönes Gesicht.«
    Julians Angebot, ihr seine Ausgabe von Woolfs Roman Mrs Dalloway zu leihen, nahm May sofort an,

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