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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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sich der eingeschlossene Mann zentimeterweise unter der rußigen Masse herabgestürzter Steinbrocken hervor. Als er sich über einen kleinen Felshang beugte und die Hand des Arztes ergriff, brachte er sich mit einem letzten und erfolgreichen Sprung in Sicherheit. Doch die Erschütterung des Felsens lockerte einen Abschnitt des Strebs, der direkt auf Dr. Richardson herabstürzte und ihn auf der Stelle tötete. Als der wohlhabende und philanthropisch gesinnte Bergwerksbesitzer von dem Unglück hörte, gab er eine Geldsumme in treuhänderische Verwaltung, um die Ausbildungskosten des dreijährigen Arztsohnes einschließlich der Studiengebühren abzudecken, und setzte eine kleine Beihilfe fest, die es Julian erlaubte,
sich auf sein Studium zu konzentrieren, ohne von finanziellen Sorgen abgelenkt zu werden. Julians Mutter bekam keinen Anteil am monatlichen Wechsel ihres Sohnes, sie war mit einer Witwenrente versorgt.
    Mrs Richardson hatte nach dem Tod ihres Mannes nie wieder geheiratet, auch wenn sie sich einmal unverhohlen an Mr Bellington herangepirscht hatte, den alten Freund ihres Mannes, der nach dem Krieg nach Yorkshire gezogen und Rektor der örtlichen Schule geworden war. Aber ihre unbeholfenen Verführungsversuche waren fehlgeschlagen. Die Kombination einer unpassend tief ausgeschnittenen Bluse mit der offensichtlich leeren Prahlerei, sie könne ihre »Position« dazu nutzen, ein unbedeutendes Mitglied des Königshauses als »Zierde« zum Sporttag der Schule zu locken, hatte Dr. Richardsons alten Freund abgestoßen. Die Verachtung ihr gegenüber, die sich beim Schulleiter dauerhaft manifestierte, trat im Laufe eines langen Abschiedsgesprächs zutage, das er mit Julian am Ende des letzten Trimesters geführt hatte. Mr Bellington ermahnte den jungen Mann, seinem schmerzlich vermissten und vielbewunderten Vater alle Ehre zu machen, und gab zu erkennen, dass Julians Mutter eine sehr viel weniger wertgeschätzte Person sei. Dieses Gespräch versetzte Julians ohnehin bröckelndem Respekt vor seiner Mutter den Todesstoß. Er wünschte, er hätte das Glück gehabt, trotz ihres zerbrechlichen Geistes Joan Blunt zur Mutter zu haben. In dem Club in Pall Mall, in den er zuweilen mit Rupert und Sir Philip ging, hatte er etwas gesehen, was ihn an ihren herzzerreißenden Schmerz erinnerte. Alte Soldaten saßen zusammengekauert in Ledersesseln am Kamin und verloren sich in Erinnerungen an den Krieg, den Kopf voller traumatischer Bilder, die zu grauenhaft waren, um sie zu vergessen, und doch zu entsetzlich, um davon zu sprechen.
    Stets flüchtete Julian, sobald er konnte, aus Mrs Richardsons beengter Hinterhofwohnung in Victoria und ging raschen Schrittes zur Themse. Manchmal sprang er auf einen vorüberfahren
den Bus auf und kam erst wieder zu sich, wenn er St Katherine's Dock im East End erreicht hatte. Dort sah er oft kleine Grüppchen von Männern an die Mauer eines Lagerhauses gelehnt beisammenstehen, nicht kameradschaftlich, eher so, als warte jeder von ihnen darauf, dass etwas geschah, dass jemand kam, dass jemand ihnen eine Arbeit anbot und ein bisschen Leben. Manchmal ging Julian in einen Pub, bestellte ein Glas unverdünnten Whisky (»So ist's recht, mein Junge, wozu ihn mit Wasser verderben?«) und reichte eine Zwei-Pence-Münze für eine Schachtel Woodbines über den Tresen, bevor er sich, die Mütze über die Augen gezogen, in einer Ecke niederließ. Das belebte Lokal war ein willkommener Kontrast zur Atmosphäre der mütterlichen Wohnung, die ihn jedes Mal zu ersticken drohte. Die Gespräche in der Kneipe waren ebenso wirklich wie die widerstreitenden Gerüche von Pfeifenrauch und Schweiß. Ein beliebtes Thema war Boxen, ein anderes der Erfolg oder Misserfolg bei Pferdewetten. Häufiger Diskussionspunkt waren die schlechten Gepflogenheiten der Pfandleiher. Es wurde tief inhaliert. Man billigte die Mitglieder des Königshauses, verherrlichte sie aber nicht. Man verurteilte Mosley. Man fürchtete einen neuen Krieg.
    Vor seiner Ankunft in Oxford hatte Julian kaum einen Gedanken an das wirkliche Leben verschwendet. Dank dem wohltätigen Bergwerksbesitzer durcheilte er eine bedeutende Privatschule. Er trug einen hübschen Flanellanzug, spielte viel Cricket und viel Fußball. Oxford jedoch hatte alles von Grund auf verändert. Er begann, Fragen zu stellen. Und er sah sich vor die Entscheidung gestellt, ob er sich dem Vergnügen widmen oder sich Grundsätzen verschreiben wolle. Sich vor der Pflicht zu drücken, das

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