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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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Zeremonie abholen wollten. »Ich kann natürlich verstehen, weshalb es bei dem Abendessen keinen Platz für mich gibt. Der König hat bereits sein volles Kontingent an Gästen ausgeschöpft, die Duff Coopers, die Mountbattens, Lady Cunard und den Premierminister selbst. Und Wallis hat mir erzählt, dass der König beabsichtigt, Mr Baldwin seiner ›zukünftigen Frau‹ vorzustellen!«
    Durch die einen Spalt offen stehende Glastrennscheibe lauschte May Miss Nettlefolds neuerlich angeregtem Geplapper. In den vergangenen paar Wochen schien die Amerikanerin sichtlich bedrückt gewesen zu sein; ihre heitere Laune war in demselben Maße geschwunden, wie sich die Anzahl der Besuche in Fort Belvedere verringert hatte. In einer stillen Minute hatte sie May anvertraut, dass sie sich nach dem Preis eines Rückfahrtickets nach New York an Bord des neuen Schiffes erkundigt hatte, doch der Preis war unerschwinglich, und außerdem
gab es im Grunde genommen nichts, weswegen sie nach Amerika zurückkehren musste. Ihr Bruder schrieb ihr hin und wieder eine Ansichtskarte, aber diese minimalen Lebenszeichen vermittelten ihr nicht den Eindruck, dass ihre Familie sie sonderlich vermisste. Ein Lichtschein am Horizont war allerdings Mrs Simpsons Andeutung, später im Sommer womöglich ein paar Wochen auf dem Mittelmeer verbringen zu wollen, und Miss Nettlefold hoffte, dass die Einladung bald bestätigt werden würde.
    »Ich sage immer, was man später bereut, sind die Dinge im Leben, die man nicht tut, May«, hatte sie, unterstrichen von einem mädchenhaften kleinen Hüpfer, gesagt, bevor sie neben Lady Joan auf den Rücksitz des Wagens kletterte.
    Sie hatten frühzeitig die Außenbezirke von Southampton erreicht. May steuerte die Limousine behutsam auf das schmale hölzerne Deck der Kabelfähre in Woolston, und zu dem Geräusch von klirrenden Ketten und zischendem Dampf wurden sie über den Itchen zum Hafen am gegenüberliegenden Ufer gezogen. Die Queen Mary sollte um halb fünf in See stechen, sodass noch genug Zeit für ein Mittagessen unter den Tudor-Balken des alten Court Room im Red Lion Inn blieb, wo ein Tisch reserviert war. Es war derselbe Raum, in dem fünfhundert Jahre zuvor mehrere Männer, die ein Komplott gegen Henry V . geschmiedet hatten, des Hochverrats für schuldig befunden und zum Tode verurteilt worden waren.
    »Wie malerisch!«, hatte Miss Nettlefold ausgerufen. »Billigen Sie nicht einen grausamen Tod für solche, die ihn verdienen, May?«, fuhr sie fort, während Lady Joan sie damit neckte, dass sie die Zimmerecken nach Anzeichen getrockneten Blutes absuchte.
    »Sollen wir uns, wenn wir wieder zu Hause sind, nicht einmal ausführlich über alles unterhalten, Evangeline?«, hörte May Lady Joan fragen. »Du scheinst dir Sorgen über etwas zu machen, Liebling, und ich möchte dir helfen, wenn ich kann.«
    May sah, wie Miss Nettlefold nickte und ihre Hand sachte auf Lady Joans Arm ruhen ließ.
    »Das wäre mir sehr lieb«, antwortete Miss Nettlefold rasch. »Je früher, desto besser. Ich fühle mich ein wenig unsicher.«
    May überließ die Frauen ihrem Mittagessen, und als sie ihren Bruder auf dem Kai forschen Schrittes auf sich zumarschieren sah, wallte schwesterlicher Stolz in ihr hoch. Er strich seine blaue Marineuniform glatt. An den Schnitt konnte er sich nur schwer gewöhnen, aber er hatte schon gemerkt, dass das seitlich geknöpfte Jackett mit dem scharfkantigen weißen Kragen eine unmittelbare Wirkung auf das weibliche Geschlecht ausübte. Sam hatte eine halbe Stunde Landgang bekommen, um sich mit seiner Schwester treffen zu können, bevor er für den Moment des Ablegens wieder zu seinen Kameraden zurückkehren musste. Eine Stunde vorher, als der Admiral sich direkt nach ihrer Ankunft in Southampton an Bord der Queen Mary begab, hatte Sam mit dem Rest des Marinekommandos am unteren Ende der Gangway strammgestanden. Sam durfte die Koffer des Admirals in dessen Erste-Klasse-Kabine bringen, und wie er seiner Schwester berichtete, hatte er noch nie so viel Luxus und Komfort auf einem Schiff gesehen.
    »Mal was anderes als das, was wir Matrosen gewohnt sind! Weit und breit keine Kojen!«
    Jetzt standen Bruder und Schwester nebeneinander auf dem Kai und betrachteten die zweitausend Passagiere, die bereits Ellbogen an Ellbogen an den oberen Geländern lehnten. Selbst auf diese Entfernung hin verrieten ihre Gesichter, wie aufregend es sich anfühlte, einen Nachmittag lang eine Berühmtheit zu sein.
    Es hieß, dass,

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