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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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beschlossen sie kurzerhand, im Lyons Corner House nebenan etwas zu essen. Das Lokal war noch überfüllter als bei Mays früherem Besuch. Doch Julian und der Oberkellner steckten verschwörerisch die Köpfe zusammen und murmelten sich etwas zu, und man führte sie nach oben in einen weniger voll besetzten Raum. Am Nebentisch saßen zwei Männer, die Händchen hielten; der eine trug seinem Freund gerade purpurroten Lippenstift auf. Julian hatte sich bereits mit dem Rücken zu dem Pärchen hingesetzt und studierte die Speisekarte. Bei der »Nip
py« bestellte er Fish & Chips, während May sich für ein Käseomelett entschied. Obwohl es sie drängte, eine Bemerkung über ihre Nachbarn zu machen, unterließ sie es, da sie sich vollkommen auf ihre nicht ganz leichte Entscheidung konzentrieren musste, auf keinen Fall aus freien Stücken Fish & Chips zu essen, nicht einmal einem Mann zuliebe, der sie beinahe »liebreizend« genannt hatte.
    Sie unterhielten sich über Wigan, Filme, Mütter und Oxford. Julian erzählte ihr von seinem Freund, dem Politikprofessor Frank Pakenham, der noch immer an den schrecklichen Prellungen litt, die Mosleys Männer ihm zugefügt hatten. Er erzählte ihr, Franks bezaubernde kraushaarige und unschuldige dreijährige Tochter habe mit ansehen müssen, wie ihr unbezwingbarer Vater im Bett gelegen und vor Schmerz gestöhnt habe. Selbstverständlich hatte er Frank sofort gestanden, dass er es gewesen sei, der »Rotfront« gerufen habe, das Wort, das die Gewaltorgie ausgelöst hatte.
    »Aber Frank ist einer der freundlichsten Männer, denen ich je begegnet bin«, sagte Julian. »Er hat mir sogar gesagt, er sei froh gewesen, dass es so weit gekommen ist, und froh über die Gelegenheit, dabei zu helfen, die Macht der Faschisten zu brechen. Und ich werde alles tun, um ihm dabei zu helfen.« Während Julian sprach, zeigte sich eine neue Entschlossenheit in seinem Gesicht. »Erinnern Sie sich noch an unseren Freund Peter in Wigan?«
    Natürlich erinnerte sie sich. Damals hatten Julian und sie ganze Stunden ohne Unterbrechung allein miteinander verbracht. Peter war noch nicht in Spanien, hatte Julian aber eine Karte geschickt, in der es hieß, dass er noch vor Jahresende dort eintreffen wolle. Die Kommunistische Partei benötige jede Unterstützung, derer sie habhaft werden könne.
    »Werden Sie sich ihm anschließen?«, fragte May.
    Julian war noch unschlüssig. Er gab zu, dass die Aufgabe ihn reize. Aber zunächst einmal müsse er seine Abschlussprüfung
bestehen. Und er habe noch nichts davon mit Charlotte besprochen.
    »Nicht, dass sie sonderlich daran interessiert wäre, was ich tue«, murmelte er.
    May wechselte das Thema und begann, von Cuckmere zu erzählen. Sir Philip hatte mehr Besprechungen als gewöhnlich und dringendere Parlamentsgeschäfte denn je. Er war beunruhigt, weil Lady Joan sich zunehmend Sorgen über Ruperts geplanten Berlin-Besuch im Sommer machte. Sie fürchtete sich davor, unter welche Einflüsse er dort geraten könnte. Der Sohn einer ihrer Freundinnen war kürzlich aus Deutschland zurückgekehrt und hatte dem Führer Treue geschworen. All das behielt May jedoch für sich. Stattdessen schilderte sie ihre Freude beim Anblick von Veras Garten, der auf dramatische Weise zum Leben erwachte, und erzählte, dass sie und Florence begonnen hatten, gemeinsam die umliegende Landschaft zu erkunden.
    »In der Nähe des Hauses gibt es einen kleinen Fluss, der ins Meer mündet, und gewaltige Klippen. Florence sagt, im Sommer geht sie dort schwimmen, und wir haben einander versprochen, zusammen baden zu gehen, sobald es wärmer wird.«
    Während May redete, beobachtete Julian sie aufmerksam. Sein ermunterndes Lächeln machte ihr Mut, ihm ein Geheimnis anzuvertrauen, jedoch erst, als er einen Eid abgelegt hatte, Rupert kein Sterbenswörtchen davon zu verraten. Vor ein paar Tagen hatte Miss Nettlefold May ihre Perückenkollektion gezeigt. Es gab locker sitzende für den Alltagsgebrauch, einen kurzen Bubikopf für Cocktailpartys und einen eingeschlagenen Chignon, der gelegentlichen Festbanketten vorbehalten war, besonders wenn Mitglieder des Königshauses zugegen waren.
    »Perücken sind ein Teil meines Lebens«, hatte sie zu May gesagt. »Und niemals darf mich jemand ohne Perücke zu Gesicht bekommen. Ich glaube, ich würde vor Scham im Boden versinken, wenn es dazu käme!«
    »Sie glaubt, dass wir befreundet sind, verstehen Sie?«, erklärte
May Julian. Sie hatte ihren Stuhl aus der Sichtlinie

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