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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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schwebten Blütenblätter, vom gelegentlichen Hauch einer Brise getragen, über den Rasen hinweg und fielen May in den Schoß. Trotzdem war die Luft so still, dass sie die Windrichtung nur bestimmen konnte, indem sie den Blick auf einen Schornstein oder einen Baum lenkte und einer Wolke am Himmel dabei zusah, wie sie sich im Schneckentempo auf diesen Fixpunkt zubewegte.
    An diesem Tag schien die Sonne so hell, dass May es selbst mit zusammengekniffenen Augen nicht schaffte, in ihrem Buch zu lesen. Sie ging wieder ins Haus. Wie immer war Lady Joan allein, ausgenommen die Pflegerin, die stumm in einer Ecke des Zimmers saß. Miss Nettlefold hatte May gestanden, dass der Anblick ihrer Patentante, so siech und hilflos, sie furchtbar mit
genommen habe. Da sie Angst hatte, sie könnte am Bett eine Szene machen, fand sie es klüger, ihr fernzubleiben.
    Die beiden Kinder der Blunts begaben sich nur selten nach oben in das früher so hübsche Schlafzimmer ihrer Mutter, das jetzt mit medizinischen Geräten vollgestellt war. Ja, in diesen Sommermonaten ließen sich Rupert und Bettina fast gar nicht mehr in Cuckmere blicken. Bettina erklärte ihrem Vater, sie sei von der hektischen Londoner Saison völlig in Anspruch genommen, und Rupert, der gerade seine letzte Prüfung absolviert hatte, gönnte sich eine ausgedehnte, wohlverdiente Auszeit, um mit seinen Freunden zu feiern. Trotz der hohen Anforderungen, die seine Arbeit in London an ihn stellte, versuchte Sir Philip, so oft wie möglich bei seiner Frau zu sein, und May musste ihn manchmal täglich in die Stadt und wieder zurück fahren.
    An dem Tag, als Lady Joan im Rettungswagen nach Cuckmere gebracht worden war, hatte May sich erboten, turnusmäßig an ihrem Bett zu wachen. Sir Philip hatte sofort zugestimmt.
    »Meine Frau mag Sie sehr gern, meine Liebe«, hatte er gesagt, »und wenn sie aufwacht, wird sie dankbar sein, Sie zu sehen, das weiß ich.«
    Wenn sie ihren Platz am Kopf des Bettes einnahm, versuchte May, die schalen medizinisch-chemischen Gerüche nach Verfall ebenso auszublenden wie die unregelmäßigen Geräusche, die unter der Sauerstoffmaske zu hören waren. Man wusste nicht, ob Lady Joan jemals erwachen würde. Es war über die Möglichkeit einer Operation gesprochen worden, bei der ihr ein Stromstoß durchs Gehirn gejagt würde. Aber Sir Philip konnte sich nicht dazu durchringen, seine Frau einem so entsetzlichen Eingriff auszusetzen. Lady Joans einziges Lebenszeichen bestand darin, dass ihre Sauerstoffmaske hin und wieder beschlug und sich unter ihrem cremefarbenen Nachthemd ein schmetterlingshaftes Zucken abzeichnete. Einmal hatte May sich über sie gebeugt, um einen Marienkäfer zu entfernen, der über die bleiche Wange der Kranken krabbelte und Gefahr lief, unter die Sauer
stoffmaske zu geraten. Aber sie hatte das Gefühl, dass diese Nähe zu aufdringlich war, und sie war aufgestanden und hatte sich zurückgezogen. Einem Menschen so nahe zu kommen sollte ausschließlich einer Tochter oder einem Geliebten vorbehalten sein.
     
    Seit sie sich vor fast einem Monat an der U-Bahn-Station getrennt hatten, hatte May von Julian nichts mehr gehört. Sie vermisste die Gespräche. So unbeschwert wie mit Julian konnte sie sich mit niemandem unterhalten. Er brachte sie zum Nachdenken, und er brachte sie zum Lachen. Mehr noch, er hörte ihr zu – eine der wichtigsten Eigenschaften, auf die man ihrer Mutter zufolge bei einem Mann achten sollte. Vor allem aber musste sie unentwegt an den Geschmack seines Kusses denken. Und diese Gedanken hatten zu anderen Gedanken geführt, die ihr noch nie zuvor in den Sinn gekommen waren. Ein Teil von ihr wollte all dem einen Riegel vorschieben. Obwohl Sir Philip sie in keiner Weise gewarnt hatte, wusste sie um die beruflichen Barrieren. Und es gab noch etwas, das sie abschreckte. Auch wenn ihr die Vorstellung, Charlotte Bellowes zu hintergehen, nicht behagte, so war sie sich doch ihres eigenen körperlichen Verlangens durchaus bewusst. In Wahrheit traute sie sich alles zu.
    In den vergangenen Monaten hatte sie die zärtliche Zuneigung zwischen Nat und Sarah, die im Oktober ihr Kind erwarteten, erlebt und bewundert. Mays Erinnerungen an den Ekel, den sie bei Duncans Berührungen verspürt hatte, waren langsam verblasst, und wenn sie nachts allein im Bett lag, hatte sie im Schutz der Dunkelheit mit neuen Empfindungen zu experimentieren begonnen. Wenn sie sich mit den Fingern vom Fußgelenk bis zur Taille über die Haut strich,

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