Als Mrs Simpson den König stahl
erst die Frau, dann wieder May an. Er ließ seinen Blick über ihre langen Beine und den olivbraunen Körper gleiten, der in dem hübschen geblümten Badekostüm steckte, und fühlte sich plötzlich ungemein beschwingt.
»Sie sind einer der erstaunlichsten Menschen, denen ich je begegnet bin«, erklärte er. »Sind Sie bereit?« Er setzte seine Brille ab und legte sie vorsichtig ins Ufergras. »Lassen Sie uns zusammen springen – jetzt !«
Einen Moment später waren sie von Wasser umschlossen. Die Strömung war schnell und stark, und sie drehten sich im Kreis, als das brausende Wasser sie die halbe Meile zur Flussmündung trieb. In weniger als einer Minute erreichten sie das offene Meer. Den Lärm der Wogen übertönend, jauchzten und schrien sie aus vollem Hals. Nach einiger Zeit schlug Julian, in dessen Kindheit, im Gegensatz zu Mays, Baden nicht Teil der täglichen Routine gewesen war, ihr vor, wieder zur Küste zurückzuschwimmen.
Hinterher wusste May nicht mehr recht, wie alles geschehen war. Julian war zum Flussufer zurückgekehrt, um seine Brille zu holen, bevor sie gemeinsam den kiesigen Weg zu der kleinen Telefonzentrale hinaufkletterten, um sich abzutrocknen. So belebend das Bad auch wirkte, die Wassertemperatur war sehr niedrig, und May zitterte vor Kälte. Sie drückte gegen die Tür der Hütte, die zu ihrer Überraschung nachgab. In einer Ecke stand ein Sessel, fast so groß wie ein Sofa. Julian schnatterte mit den Zähnen.
»Sollen wir reingehen und uns aufwärmen?«, fragte May. »Bestimmt hat niemand was dagegen.«
May setzte sich in den Sessel, der groß genug war für zwei, und begann, sich mit dem Handtuch die Haare abzurubbeln.
»Ich helfe dir«, sagte Julian leise, setzte sich neben sie und nahm ihr Badetuch. Mehrere Minuten verstrichen, in denen er jeden Teil ihres Gesichts küsste, sogar ihre Lider, bevor er die Riemchen ihres Badekostüms von den Schultern schob. Behutsam streifte er den nassen Stoff nach unten, bis sie ganz nackt war. May hatte sich vorgestellt, dass sie sich diesem lange ersehnten Augenblick widersetzen würde. Doch unter seinen warmen, geduldigen, liebevollen Berührungen verflüchtigten sich ihre schrecklichen Erinnerungen an Duncan, und sie konnte Julians ungehemmtem Verlangen nicht länger widerstehen. Er strich mit den Fingerspitzen erst leicht über ihren Rücken, dann ließ er sie langsam bis zur Rundung ihrer Brüste wandern. Sie wollte, dass die Empfindungen, die er bei ihr auslöste, nie mehr aufhörten. Als er May an sich zog, spürte sie seine sanften Arme um ihre Taille. Sie schmiegte sich an seine kühle, glatte nackte Haut und versank tief in einen Zustand, in dem nichts mehr von Bedeutung war und es auch nie wieder sein würde – sie wurde von einem Gefühl durchdrungen, das sie sich vorher nicht hatte vorstellen können. Für eine gefühlte Ewigkeit blieb May, umschlungen von Julians Armen, so in der kleinen Holzhütte am Kieselstrand liegen. Als er sie küsste, erst voller Zärt
lichkeit, dann mit einer – von ihr erwiderten – Leidenschaft, die so heftig war wie die Bewegung des Meeres selbst, glaubte sie, vor Glück zu vergehen.
Später am Abend kehrte Mr Hooch, nachdem er Julian am Bahnhof abgesetzt hatte, zur Garage zurück. Die Fahrt nach Polegate war seine zweite an diesem Tag gewesen. Er hatte bereits eine ungewöhnlich schweigsame Miss Nettlefold zum Zug gebracht und bei sich gedacht: Diese Frau ist nicht nur ausgesprochen mürrisch, sondern hat, dem beißenden Geruch nach zu urteilen, der im hinteren Teil des Talbot haftet, offensichtlich die Angewohnheit, nicht allzu oft ein Bad zu nehmen.
May saß im Rolls-Royce und ölte gerade die Glastrennscheibe, als Mr Hooch hereinkam.
»Mr Richardsons Besuch hat ja ein richtig breites Lächeln auf Ihr Gesicht gezaubert, junge Frau«, bemerkte er, als er die Tür des Talbot schloss. »Offenbar hofft er, bald wieder hierher nach Cuckmere zu kommen. Ich nehme an, um Ihre Ladyschaft zu besuchen«, fügte er hinzu, und in seiner Stimme lag gleichfalls ein Lächeln. Er hatte nicht erwartet, dass der Anblick dieser schönen jungen Frau, die ein Grinsen nicht unterdrücken konnte, ihn so rühren würde. Gleichzeitig sorgte er sich um sie. »Wenn er allerdings Zeit finden will, mehr oder weniger regelmäßig hierherzukommen, wird er sich von Miss Bellowes' Reizen losreißen müssen, nehme ich an.« In seiner Stimme klang eine Warnung an, von der sich May allerdings nicht beunruhigen lassen
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