Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
meinem Studio und übermittelte sie an Henning, der sich um alles Weitere kümmern konnte.
In der Zwischenzeit hatten wir auch noch beschlossen, Licky – unseren Livegitarristen – mit einzubeziehen, da wir seinen Gitarrensound fortan auch auf den Platten haben wollten. Auch er stimmte zu, und so ging das Schreiben und die Produktion der Stücke in den folgenden Wochen Hand in Hand weiter.
Das Leben meinte es zu jener Zeit gut mit mir – glaubte ich –, bis mich eine schlimme Nachricht aus meiner inneren Zufriedenheit herausriss.
Ein sehr guter Freund war plötzlich sehr krank geworden. Ein Rückschlag, mit dem damals niemand gerechnet hatte. Er hatte mich über viele Jahre hinweg als Freund und fester Halt begleitet und war all die Jahre der Mensch gewesen, zu dem ich immer gehen konnte und der zu jeder Zeit für mich da war.
Und nun war er schwer erkrankt und ich wusste mit dieser erschreckenden neuen Situation kaum umzugehen. Ich war bis dahin ein paarmal schon mit dem Tod konfrontiert worden, aber er kam immer recht schnell und war auch stets einem gewissen Alter geschuldet. Hier jedoch sah es ganz anders aus. Hier handelte es sich um einen Freund in meinem Alter. Und die Gewissheit, dass dieser Mensch jung sterben musste, war da – nur keiner wusste, wie lange dieser Kampf dauern würde.
In dieser Zeit hörte ich mit der Arbeit an meiner Musik auf. Ich versuchte, die noch vorhandene Zeit irgendwie festzuhalten oder die Augenblicke, die wir noch gemeinsam hatten, bewusst mitzunehmen und zu genießen. Aber dann kam der Zeitpunkt, ab dem wir alle beobachten konnten, wie er immer mehr abbaute. Und diese Momente waren schlimm. Im Grunde hoffte man immer, bekam aber schon bald wieder offen und unbarmherzig zu spüren, dass sich gewisse Dinge nicht mehr ändern ließen. Für mich selbst gab es in diesen Zeiten nur einen schwachen Trost: Ich versuchte wenigstens, in allem einen Sinn zu sehen.
Antworten auf die Fragen, die man sich immer wieder stellte, gab es naturgemäß keine. Warum er? Warum so jung? Warum jetzt? Ich hatte das Gefühl, irgendetwas tun zu müssen – und schrieb ein Lied für ihn. Das war das, was ich am besten konnte, und es sollte zum Ausdruck bringen, wie wichtig er mir war und wie gerne ich mich an die gemeinsame Zeit mit ihm erinnerte.
Ich wollte etwas schreiben, was die schönen Erinnerungen, die wir gemeinsam hatten, immer wiederkommen lassen könnte – auch wenn er eines Tages nicht mehr da sein würde. Ich legte all das in den Text und die Komposition hinein, und so schrieb ich das Lied »An deiner Seite«. Ein Titel, über den ich mit niemandem gesprochen hatte – weder mit seiner Familie noch mit meinem Umfeld.
Es war ein Lied für ihn und für mich. Dennoch wollte ich es auf Puppenspiel haben, weil ich so das Gefühl hatte, etwas für ihn tun zu können und die ständig bohrende Hilflosigkeit zu vergessen. Jedem, dem ich das Lied vorspielte, schossen augenblicklich die Tränen in die Augen – und trotzdem lächelten sie dabei. Alle, die es hörten, sagten, dass dieses Lied etwas Besonderes sei und ich es mit dem nächsten Album veröffentlichen sollte. Also sprach ich mit seiner Familie und fragte um Erlaubnis. Und sie gaben sie mir …
Irgendwann kamen noch weitere Lieder für Puppenspiel dazu und eine gewisse Normalität nahm wieder ihren Lauf, auch wenn nun ein Schatten über uns lag, von dem wir wussten, dass er schon bald einen geliebten Menschen aus unserer Mitte reißen würde.
Die Produktion von Puppenspiel nahm ihren Lauf und eines Tages war das Album dann auch fertig geworden. Und ich wusste sofort, dass es ein ganz besonderes geworden war.
Noch nie zuvor hatte ich die Musik mehr gebraucht, um mit mir und mit dem, was mich umgab, ins Reine zu kommen. Ich hatte alle meine Gefühle in dieses Album gelegt und es für einen Menschen gemacht, von dem ich wusste, dass ich ihn verlieren würde.
Ein offener Brief
In der Zwischenzeit war Unheilig gerade in der schwarzen Szene recht gut bekannt geworden. Wir waren damals auf einem guten Weg, in kleinen Schritten voranzukommen – mehr allerdings auch nicht.
Der Veröffentlichungstermin von Puppenspiel war auf den 22. Februar 2008 gelegt worden. Im Vorfeld machte ich einige Interviews für Internetradios und Zeitschriften und die ersten Reaktionen der Medien waren durchweg positiv. Unsere Puppenspieler- Tour hatten wir auch schon angekündigt, die ersten Shows waren schon fast ausverkauft – alles lief
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