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Als ploetzlich alles anders war

Als ploetzlich alles anders war

Titel: Als ploetzlich alles anders war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Dierks
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ein Buch lesen. Sie scherte sich scheinbar auch nicht darum, dass sie einen leicht x-beinigen Gang hatte und etwas tollpatschig war. Aber nun hatte sie wohl Angst, dass Louisa ihre Bemerkung missverstehen und eine Anspielung auf ihre Behinderung darin sehen könnte. Blöde Kuh, dachte Louisa. Jetzt war es erst richtig peinlich, weil nun keine von ihnen mehr wusste, was sie sagen sollte.
    Schließlich gab Louisa sich einen Ruck.
    » Dann viel Spaß noch«, sagte sie und versuchte nicht allzu spöttisch zu klingen, das hätte nur verraten, wie verletzt sie doch war. Wenigstens wusste sie nun, woran sie bei ihren Freundinnen war, wenn sie das über überhaupt noch waren– Freundinnen? Konnte eine Freundschaft einfach so weiterbestehen, wenn sich eine von ihnen so verändert hatte wie Louisa? Was war außerdem an gemeinsamen Aktivitäten überhaupt noch möglich und hatten sie jetzt nicht auch völlig andere Interessen?
    Louisas Leben war jetzt so komplett anders, dass sie gar nicht mehr wusste, wofür sie sich noch begeistern könnte. Ihr einziges richtiges Hobby war seit ihrem fünften Lebensjahr das Eislaufen gewesen. Sie hatte zwar nie die Absicht gehabt, ein Profi zu werden– dazu fehlte es Louisa nach Meinung ihrer Trainerin an Ehrgeiz und der nötigen Disziplin–, aber es hatte so viel Spaß gemacht. Etwas Schöneres, als zu einer bestimmten Musik über das Eis zu gleiten, gab es nicht. Hatte es nie gegeben und Louisa konnte sich nicht vorstellen, dass sie je etwas finden würde, was sie auch nur ansatzweise so glücklich machen würde.
    » Wir können ja mal wieder ins Kino gehen… zusammen…«, sagte Hatice, als Teresa den Rollstuhl schon wortlos gewendet hatte und ihn Richtung S-Bahnhof schob. Louisa antwortete nicht.
    Keine Minute länger hätte Louisa das Theater ausgehalten. Es war so anstrengend, immer verbergen zu müssen, was man wirklich fühlte.
    Jetzt sank Louisa in sich zusammen und spürte, wie ihr die eisige Kälte in sämtliche Glieder kroch und sie nun steif wie ein Brett werden ließ. Bloß schnell nach Hause, ins Warme, und dann ins Bett kriechen, dachte sie.
    » Ich finde das ziemlich scheiße von den beiden«, fing Teresa plötzlich an zu schimpfen. » Besonders von Fee hätte ich das nicht gedacht, echt nicht.«
    Jetzt fühlte Louisa sich noch mieser. Bis eben hätte sie sich noch damit trösten können, dass sie vielleicht zu empfindlich wäre und die anderen es nicht so meinten. Aber wenn Teresa das genauso sah, bildete Louisa sich das nicht ein, dann war es eine unbestreitbare Tatsache– ihre Freundinnen hatten kein echtes Interesse mehr an ihr.

Mit-Louisa-im-Rollstuhl-geht-man-folgendermaßen-um
    » Ärger gehabt?«, fragte Tinka am nächsten Morgen. Bernd hampelte genau wie gestern auf seinem Platz herum, steckte aber nun sein Gesicht in den Spalt zwischen die beiden Sitze und blickte Louisa forschend an.
    » Louisa ist traurig«, stellte er nickend fest. Stiepe warf einen kurzen, prüfenden Blick über die Schulter, als ob er sich selbst ein Bild von Louisas Stimmung machen wollte, und wandte sich dann schnell wieder der Straße zu.
    » Ich bin okay«, sagte Louisa steif.
    Tinka nestelte an ihrem Brustbeutel, riss den Klettverschluss auf und zog eine kleine Karte mit Adresse und Telefonnummer heraus.
    » Wenn du mal reden willst, ich kann gut zuhören«, sagte Tinka, während sie Louisa die Karte reichte.
    Louisa nahm die Karte nur widerwillig. Sie wollte nicht reden, und wenn doch, dann bestimmt nicht mit jemandem, den sie überhaupt nicht kannte. Tinka tat ihr leid, das war alles.
    » Tinka kann gut zuhören, ich kann auch gut zuhören«, plapperte Bernd mit ernster Miene nach.
    Allmählich nervten sie die beiden. Tinka, wie sie Louisa immer noch unverwandt anstarrte, und Bernd, der trotz Stiepes wiederholter Warnung seinen Sicherheitsgurt geöffnet hatte und vor Louisa jetzt wie ein Kobold herumhüpfte.
    » Setz dich augenblicklich wieder hin und schnall dich an, Bernd, sonst gibt’s mächtig Ärger«, brüllte Stiepe und schlug wütend aufs Lenkrad.
    » Manno«, rief Bernd, gehorchte aber und schmollte, nachdem er sich auf seinen Platz fallen gelassen und sich wieder angeschnallt hatte.
    Er schmollte nicht lange, irgendetwas hatte ihn bald wieder abgelenkt, sodass er sich gleich darauf in ein Spiel mit seinen Fingern vertiefte, sie erst spreizte, dann wieder krümmte, dabei mit den Schuhspitzen gegen den Vordersitz stieß und die Melodie eines bekannten Schlagers

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