Als unser Kunde tot umfiel
zugetragen hatte.
Ohne eine Begrüßung ging Herr Ernst seinen Kollegen Schuller frontal an. „Merken Sie eigentlich, was Sie mit Ihrer Blockadetaktik unserem Bereich antun? Wir haben einen Auftrag in Aussicht, der für uns strategisch äußerste Relevanz hat und unseren Umsatz einen Riesenschritt nach vorne bringt. Ich frage mich, wieso blockieren Sie die Verhandlungen?“ Schuller schaute Ernst an, der mit hochrotem Gesicht immer noch direkt vor seinem Schreibtisch stand. „Nehmen Sie doch erst einmal Platz“, sagte Schuller ganz gelassen, was Ernst noch wütender machte. „Wie kommen Sie denn darauf, dass ich dem Auftrag im Weg stehe? Sie haben doch vertrauliche Informationen über unsere Kostenkalkulation an Herrn Siewert, den Key Account Manager, weitergegeben!“, schimpfte Ernst. „Herrn Siewert?“, erwiderte Schuller jetzt selbst aufgebracht. „Der Werner ist ein alter Freund von mir und er hat mich gefragt, wie er unser Angebot einschätzen kann. Mit Luft für Verhandlungen oder knapp kalkuliert. Da wir bisher stets ein offenes Verhältnis zueinander hatten, sagte ich ihm, dass unsere Kalkulationen in der Regel einen Puffer von drei Prozent eingebaut haben, was ja nun ein offenes Geheimnis ist.“ Herr Ernst war außer sich vor Wut. „Das werde ich so nicht auf mir sitzen lassen. Ihretwegen kam der Vertrag heute nicht zustande. Stattdessen sind wir in einer neuen Nachverhandlungsrunde und unser Spielraum ist klein, keine drei Prozent“, sagte Ernst und verließ mit großen Schritten Herrn Schullers Büro. Es sollte der Auftakt zu einem Kleinkrieg zwischen Schuller und Ernst sein, wie ihn das Unternehmen so noch nicht erlebt hatte. Nachdem sich die Kontrahenten noch das eine und andere heftige Wortgefecht geliefert hatten, geriet Herr Ernst aufgrund des geplatzten Deals ins Kreuzfeuer der Kritik. Er nahm dies zum Anlass, sich heftigst über Schuller beim CEO, seinem direkten Vorgesetzten, zu beschweren. Dieser kannte die Situation schon, da jeder in der Firma bereits davon Wind bekommen hatte. „Herr Ernst, ich habe das Gefühl, die Situation mit Ihnen beiden gerät aus den Fugen“, sagte der CEO in einem Vier-Augen-Gespräch zu ihm. „Da bin ich ganz Ihrer Meinung“, erwiderte Ernst. „Gut, dann werden Sie sicher nichts dagegen haben, wenn ich Ihnen einen Vermittler an die Seite stelle, der mit Ihnen das Gespräch sucht.“ Ernst fielen die Mundwinkel nach unten, damit hatte er nicht gerechnet. „Und noch etwas“, ergänzte sein Chef in scharfem Ton, „Sie beide sind angezählt. Das hier ist die letzte Chance für Sie, sonst treffe ich eine Entscheidung, wie es weitergeht, und das wird nicht so sein wie bisher, da können Sie sich sicher sein. Guten Tag.“ Ernst schlich aus dem Büro des CEO. So war in diesen 17 Jahren noch keiner mit ihm umgesprungen.
Palluch vs. Hinrichsen – Wider die Harmoniesucht
Hinrichsen: Na, da hat es ja ordentlich gekracht. Ich kann mir vorstellen, dass das für die beiden eine Menge Druck bedeutet hat, wenn einem der oberste Chef so die Pistole auf die Brust setzt.
Palluch: Klar. Das ist ja genau das Problem, wenn es um Konflikte geht. Ab und an kracht es, aber alle arbeiten so vor sich hin und die Sache wird unter den Teppich gekehrt – so lange, bis da eine dicke Beule drunter ist, über die garantiert bald jemand stolpert. Bis irgendwer sagt: So geht das nicht – oder bis einer der Spieler das Spielfeld verlässt, dann werden die Karten neu verteilt.
H: Ja, das kenne ich. Ich erinnere mich da an einen Fall, wo jeder wusste, dass die Finanzchefin und ein Bereichsleiter sich nicht ausstehen konnten. Da wurde intrigiert und sabotiert vom Feinsten. Als wir dann versucht haben, eine Aussprache herbeizuführen, haben beide so getan, als wäre alles super und eitel Sonnenschein. Die offizielle Sprachregelung des Unternehmens war auch: „Bei uns haben wir keine Konflikte. “ Was für ein Quatsch, als ob das irgendjemand glauben würde.
P: Total albern. Aber ich kann das nachvollziehen. Gerade in Kulturen, wo Konflikte nicht offen angesprochen werden können und Harmoniesucht angesagt ist, wird das Betriebsklima als wichtiger erachtet als die Klärung der Situation. Klar, dass da keiner was sagt. Als ob das Klima dann noch gut wäre. Aber selbstverständlich haben manche Chefs auch Sorge, was passiert, wenn sie ein solches Thema angehen. Was, wenn es richtig kracht und ich meinen Leistungsträger verliere? Oder wenn sich nichts ändert und ein Mitarbeiter
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