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Als wäre es Liebe

Als wäre es Liebe

Titel: Als wäre es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicol Ljubic
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jähzornig und verprügelte ihre Kinder regelmäßig. Sohn und Tochter sind einige Male weggelaufen. Die einzige Erinnerung, die der Sohn bis dahin an seinen Vater hatte, rührte von einem Heimatbesuch. Er schlug ihn stundenlang mit einer Neunschwänzigen Katze. Der Vater wurde von seiner Frau als brutaler Mensch geschildert. Er habe sie, wenn er betrunken war, mit brutaler Gewalt geschlechtlich gebraucht. In solchen Exzessen seien die Kinder Friedrich und H. gezeugt worden. Er habe ihre Hände mit roher Gewalt auf dem Rücken zusammengehalten, um sie zur Hingabe zu nötigen. Außerdem habe er sie am Halse gewürgt und geschlagen – auch in der Öffentlichkeit.
    Die Zeitungen titelten: »P. sah gern Liebesfilme«, »Er mordete, weil er die Frauen liebte«, »Ich wünschte mir Kinder«. »Seine Hemmungen und seine Scheu Frauen gegenüber seien schließlich in Aggressivität und Sadismus umgeschlagen.« Sagte der Gutachter. Und eine Zeitung schrieb: »Entweder reagiert der Triebtäter wie ein Hund, der ein läufiges Weibchen wittert und ihm dann triebhaft, ohne Gegenregung nachläuft. Dabei kann er gleichwohl einem Auto beim Überqueren der Straße ausweichen und etwa durch abwehrende Schläge mit einem Spazierstock von der sofortigen Ausführung seines triebbedingten Vorhabens abgehalten werden. Auch Sexualmörder weichen Verfolgern oder gefährlichen Situationen aus. Trotzdem sind sie – wie der Hund – durch den jeweiligen inneren Spannungszustand auf ihr triebhaftes Tun fixiert. Die andere Möglichkeit: Sie wollen sich nur nicht beherrschen, weil ihnen die Befriedigung ihrer Wollust über alles geht. Sie sind schuldig und damit voll für ihr verbrecherisches Tun verantwortlich. Der Trieb zwingt sie keineswegs unausweichlich, sondern sie geben einfach den jeweiligen lustvollen Impulsen nach, freiwillig und wohlüberlegt. Das tat nach Meinung der Gutachter auch Friedrich P.«
    Sie sitzt noch eine Weile, bis es auch dem Pfauenaugenbuntbarsch zu viel wird, er seine Lippen von der Scheibe löst und aus ihrem Sichtfeld schwimmt. Sie verlässt das Haus, beim Hinausgehen sieht sie, dass es das Amazonienhaus ist. Sie geht ziellos durch den Zoo. Die meisten Menschen stehen vor dem Sumatra-Tiger und dem persischen Leoparden. Es sind immer die Raubtiere, um die herum sich die größte Menschenmasse bildet. Sie geht an ihnen vorbei und betritt ein Haus, das kaum besucht wird. Ein paar Steppenpferde stehen auf den kargen Betonböden, es riecht streng. Ein Wärter kippt ihnen Stroh vor die Füße. Sie hat es nicht gesucht, aber auf einmal steht es vor ihr, das Okapi. Ein einsames Tier in seinem Gehege. Aber ein lustig zu betrachtendes Tier, weil es die gestreiften Beine eines Zebras hat und das braune Fell eines Lamas. Vielleicht sieht es auch deshalb so verloren aus zwischen den anderen Tieren, weil es sich zu keinem dazugehörig fühlt. Aber es ist das einzige, das fotografiert wird. Ein junger Mann hat ein Stativ aufgebaut, seine Kamera aufgeschraubt und sucht gerade den richtigen Abstand. Er bückt sich und presst sein Auge an die Kamera. Er verharrt eine ganze Weile in dieser Haltung, ohne auf den Auslöser zu drücken. Das Okapi scheint ihn zu kennen. Es hält still und sieht ins Objektiv. Als wüsste es, wie man einen Fotografen glücklich macht. Sie schaut beiden eine Weile zu.
    »Ein wunderbares Tier«, sagt der junge Mann, »finden Sie nicht? Wussten Sie, dass die Männchen und Weibchen die meiste Zeit des Jahres in getrennten Territorien leben? Nur zur Paarungszeit durchstreifen sie gemeinsam für ein paar Tage ihr Wohngebiet.« Er öffnet die Hand und zeigt auf das Tier. Als wollte er sagen, sehen Sie ihn sich an! Die meiste Zeit des Jahres nur unter Männern. »Das würde das Leben um vieles einfacher machen, finden Sie nicht?«, sagt er und lacht. Dann geht er zum Okapi, streichelt es zwischen den Ohren und sagt: »Du kannst von Glück sprechen, dass du die Frau nur so selten siehst, du bist frei und niemand sagt dir, was du zu tun hast.« Sie lässt die beiden allein zurück und geht zurück zum Auto. Sie überlegt, ob sie für diese Nacht ein Zimmer in der Stadt suchen soll oder ob sie einfach losfährt. Ihr stehen noch siebenhundert Kilometer bevor. Sie schaut auf die Uhr. Es ist fünf Uhr am Nachmittag. Sie beschließt, loszufahren.

Meine Mutter war ein störrisches Kind, sagte meine Großmutter. Ein zorniges Kind. Als sie alt genug war, um allein sitzen zu können, fing sie an, ihren Kopf gegen die

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