Als würde ich fliegen
Tagesanbruch zum Bus zurückgekehrt, demütig und distanziert, und hatte sie wieder wie früher mit weichen Blicken angeschaut. Die Baronesse fragte ihn sichtlich fasziniert nach seinem choreografischen Ansatz, ein Thema, über das er sich normalerweise lang und breit ausgelassen hätte, aber an diesem Abend wirkte er desinteressiert. Er nippte an seinem Wein und gab kurze, vage Erklärungen von sich, wurde immer stiller und sah zu Carla. Sie fragte sich, ob er Bescheid wusste, ob er es, so wie Bluey meinte, erraten hatte. Aber ob dem so war oder nicht, dies, so entschied sie, war endlich der Ort, es ihm zu offenbaren.
Fansa saß links der Baronesse, die am Kopfende thronte, schweren grünen Lidschatten aufgelegt hatte und ein turbanartiges Kopftuch à la Isadora Duncan trug. Er benutzte jede Gelegenheit, um ihr Komplimente für ihren Kleiderstil, ihr köstliches Essen, ihre »melodramatische« Einrichtung – die Möbel hatten in der Tat etwas tierhaft Lauerndes – zu machen. »Ja«, sagte sie. »Ich hatte das Glück, immer von schönen Dingen und Besitztümern umgeben zu sein, aber euer Leben muss doch viel aufregender sein. Ich habe niemals etwas Melodramatisches getan, so wie ihr, wenn ich mir deine interessante Formulierung borgen darf.« Sie flatterte kokett mit den Wimpern in Fansas Richtung. »Ich habe niemals eine Bühne betreten und die Welt mit anderen Künstlern bereist. Meine Geschichten wären wahrlich enttäuschend. Ich habe gar nichts zu erzählen. Ich habe niemals etwas Sensationelles getan.«
Nach dem Kaffee entschuldigte sich Carla und ging zu Bett. Antoney folgte ihr. Langsam schritten sie die gewundenen Marmorstufen hinauf, unter dem flimmernden Kronleuchter hindurch, fassten sich auf halber Treppe an den Händen und betraten ihr Zimmer, das hinaus auf die Weide ging, eine verträumte Insel im Rot der gedämpften Lampen und des schimmernden scharlachroten Bettüberwurfs. Die Teppiche waren so dick, sie versanken darin. Er war auf ganz neue Weise sanft zu ihr, als wäre sie zerbrechlich, er führte sie zum Bett und zog ihr das Perlenkleid aus. Tänzer und schwangere Frauen haben eines gemeinsam. Sie achten auf sich. Sie sah auf ihre geschwollenen Brüste, als er sie mit Mund und Händen bedeckte, auf ihren bewohnten Bauch, der sich diskret wölbte. Dort blieb er mit seiner Wange liegen.
»Baby«, sagte er düster, »ich hab Angst vor mir selbst.«
»Hab keine Angst«, sagte sie. »Ich bin da. Es ist alles gut.«
Hier kannst du dich fallen lassen, dachte Antoney. All seine unterschwelligen Ängste, die Leere strömten fort wie das Wasser, das die Hügel von St. Mary hinunterrann. Hierher könntest du kommen und dich wiederfinden, wenn du gezaubert und dich beim Zaubern verloren hast. Sie waren sich niemals so nahe gewesen. Für Carla war alles Geheime gesagt, mit ihren Körpern und ihren Seelen.
Sie schliefen ineinander verschlungen ein und wurden am frühen Morgen gemeinsam wach. Der Vollmond schien durchs Fenster. Ihre Nasenspitzen berührten sich. Es gab nichts zu sagen. Pläne konnten sie später schmieden. Im Moment wollte Carla nur, dass sie in dem Wissen um ihr Gemeinsames schwelgten. Sie griff nach seiner Hand und legte sie auf ihren Bauch. Er drückte ihn, schloss die Augen halb und lächelte schläfrig. »Fühlst du es?«, flüsterte sie. Oh ja, murmelte er, du fühlst dich gut an, und rieb ihr über die Brust. Sie legte sich auf den Rücken, schaute zur Decke, hielt seinen Arm fest umklammert und war so glücklich wie seit Monaten nicht mehr. »Bald schon werden wir spüren, wie es sich bewegt«, sagte sie. Seine Atemzüge waren tiefer geworden. Auch sie hatte die Augen geschlossen.
Zehn Sekunden später sagte er: »Bewegt?«
»Ja, tritt. So wie du.« Sie hielt ihn noch fester.
Nun war er wach. »Was heißt das?«
Vielleicht wusste er ja nicht, dass auch ungeborene Babys strampelten, was ihm ähnlich gesehen hätte, aber die Atmosphäre änderte sich spürbar. Carla wusste nicht, wie sie reagieren sollte, also sagte sie nichts. Keiner rührte sich.
»Wovon redest du da?«
»Weißt du es nicht?« Er zog seinen Arm ein wenig weg. »Muss ich es dir ausbuchstabieren?«
»Du bist schwanger?«
»Ja!«
»Nein.«
»Was heißt nein?«
»Das geht nicht.«
»Warum?«
»Weil – Gott, Carla.« Er setzte sich auf. Sie sagte kühl: »Ich betrachte es nicht als derart schlechte Neuigkeit.«
Dem folgte ein Gespräch, in dem die Fakten geklärt wurden und in dem Antoney allmählich
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