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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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angerufen hatte und an sie verwiesen wurde. Der Auslöser – oder besser gesagt, die Auslöserin – von Hannahs Anruf bei der Studentenberatung war Elizabeth. Alle paar Monate telefonieren Hannah und sie miteinander; einmal hatte Elizabeth an einem Freitag um sieben Uhr abends angerufen und Hannah geweckt. Auf ihre Frage: »Machst du ein Powernap?«, antwortete Hannah: »So was in der Art.« Am Sonntag rief Elizabeth noch mal an: »Ich muss dir was sagen, und bitte fass es nicht als Kritik an deinem Charakter auf, der ist nämlich großartig. Ich denke aber, du leidest an einer Depression und solltest in Therapie gehen.« Als Hannah nicht gleich antwortete, fragte Elizabeth: »Hab ich dich verletzt?« – »Nein«, sagte Hannah. Und sie meinte es so. Hannah war schon von allein auf die Idee gekommen, dass es sich um eine Depression handeln könnte; sie war allerdings nicht so weit gegangen, etwas dagegen zu unternehmen. »Einige Therapeuten sind totale Schwachköpfe«, sagte Elizabeth. »Aber wenn du auf die richtige Person triffst, kann sie dir eine große Stütze sein.« Hannah hatte von allen, die auf der Liste ihrer Beratungsstelle standen, als erste Dr. Lewin angerufen und mochte |82| sie auf Anhieb. Tatsächlich hatte sie Hannah zunächst an Elizabeth erinnert, doch je mehr Zeit verging, desto klarer erkannte sie, dass sie sich getäuscht hatte, vermutlich aufgrund der Umstände, die zu ihrer Therapeutensuche geführt hatten. Die beiden Frauen glichen sich keineswegs.
    Als Hannah ihr Zimmer betritt, ist es fast sechs Uhr abends. Sie zieht die oberste Schreibtischschublade auf, steckt die aktuelle Seite aus ihrem Notizbuch in den Pappordner, schiebt die Schublade zu und sitzt etwa eine Minute lang regungslos an ihrem Schreibtisch. Heute Abend hat sie Dienst in der Fachbibliothek für Veterinärmedizin, was ihr im Stillen ein
Gott sei Dank!
entlockt. Die Angst vor dem Freitagabend, der Impuls, sich im Zimmer zu verstecken, nimmt nicht so leicht überhand, wenn sie später etwas vorhat. Manchmal schaut sie sogar in der Cafeteria vorbei, nicht um eine richtige Mahlzeit einzunehmen, aber immerhin, um einen Apfel oder einen Müsliriegel zu kaufen. Und wenn sie dann in der Bibliothek die Bücher mit ihren Klarsichthüllen in die Metallregale einsortiert, die grauen oder hellblauen Fachzeitschriften ordnet, bei denen das Inhaltsverzeichnis auf dem Umschlag steht und Artikel ankündigt wie »Arthroskopische Chirurgie des musculoskeletalen Systems bei Pferden«, empfindet Hannah inmitten dieser stillen Stapel, bei dieser entspannten, so regen wie monotonen Tätigkeit fast eine Art Seelenruhe.
     
    Samstagnachmittag um drei klingelt das Telefon. Hannah liest gerade über Iznik-Kacheln aus dem 16. Jahrhundert, hat seit Freitagabend mit niemandem mehr gesprochen und rechnet mit Jennys Stimme am anderen Ende, als sie den Hörer abnimmt. Jetzt, wo es draußen wärmer wird, holen sich Hannah und Jenny samstagnachmittags gern Frozen Yoghurt und löffeln es gemeinsam. Am Apparat |83| ist jedoch Fig, und Hannah hört ihre Cousine sagen: »Ich wollt mal fragen, wie es um Granny steht.«
    »Wie bitte?«
    »O Gott«, sagt Fig. »O nein. Das ist ja furchtbar. Aber klar …« Dann flüstert Fig: »Spiel einfach mit.« Mit ihrer normalen Stimme – ihrer entsetzlich theatralisch lauten Stimme, wie Hannah bewusst wird – fährt Fig fort: »Ja, das sollte ich wohl. Jetzt gleich, wenn du mich abholen könntest? Und es macht dir wirklich nichts aus?«
    »Fig?«
    »Ich bin gerade in Hyannis. Du müsstest einfach die Drei Richtung Süden nehmen, dann auf die Sechs wechseln, und sobald du dich im Zentrum befindest, in die Barnstable Road einbiegen – schreibst du mit?«
    Nach einer Pause sagt Hannah: »Ist das jetzt wieder eine Pseudo-Frage, oder ist sie wirklich an mich gerichtet?«
    Fig verfällt wieder in ihren Flüsterton, zischt geradezu: »Ich bin bei diesem Prof, aber er bringt es einfach nicht, und ich will hier weg. Du musst Henry auftreiben, damit er mich mit dem Auto abholt. Ans Telefon geht er nicht, aber wenn du zum SAE-Verbindungshaus gehst, wirst du ihn wahrscheinlich draußen beim Frisbee erwischen, sonst fragst du einfach nach ihm … Oh«, fährt sie auf einmal laut und kummervoll fort. »Ich kann es auch noch gar nicht fassen. Manchmal geht es ja so schnell.«
    »Du hörst dich komisch an«, sagt Hannah. »Was ist los?«
    »Ich tu so, als sei Granny eben gestorben«, flüstert Fig. »Kannst du dich jetzt bitte auf die

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