Also lieb ich ihn - Roman
beispielsweise während des Basketballspiels auf dem Parkplatz Jell-O-Shots kippte, und ich nur sagte: Moment mal, du meinst doch nicht Fig? Meine Cousine Fig?« Dass Henry sich offenbar über Fig ärgert und trotzdem zu ihr gehört – selbst wenn die beiden Schluss gemacht haben, gehört er noch immer zu ihr und liegt außerhalb von Hannahs Reichweite –, wirkt sich auf Hannah befreiend aus, und sie ist viel redseliger als sonst. Nicht, um ihn für sich einzunehmen oder um ihn zu beeindrucken; einfach, weil sie sich entspannen kann. »Dabei weiß ich nicht mal, ob ich auf diese Partys wirklich so scharf war«, fährt sie fort. »Vermutlich ging es mir mehr um die Einladungen als um die eigentlichen Partys. Ziemlich bescheuert.«
»Oder Jell-O-Shots sind nicht so dein Ding«, sagt Henry.
»Hab’s ja nie ausprobiert.« Sie fragt sich, ob das für ihn wie eine Beichte klingt. Und wenn schon! Wenn man bedenkt, dass sie immer noch niemanden geküsst hat, ist alles andere lässlich. »Inzwischen weiß ich vor allem eins: man darf von Fig nie erwarten, dass sie auf irgendwen oder irgendwas Rücksicht nimmt«, erklärt Hannah. »Man schätzt sie wegen ihrer guten Eigenschaften und nimmt es ihr nicht allzu krumm, wenn sie wieder einmal querschießt.«
»Welche guten Eigenschaften meinst du?«
Hannah wirft ihm einen Blick zu. »Du warst doch mit ihr zusammen«, sagt sie. »Du weißt, wie sie ist.«
»Stimmt«, sagt Henry. »Aber mich interessiert deine Meinung.«
|90| »Warum machst du nicht den Anfang?«
»Ich soll sagen, was mir an Fig gefällt?«
»Danach hast du mich eben auch gefragt.«
»Ihr habt euch aber nicht gerade getrennt, du und sie«, sagt er. »Ich werd’s dir trotzdem verraten.« Er wechselt auf die linke Spur, überholt einen Volvo, schert wieder in die rechte Spur ein. Er fährt gut – und sicher. »Zunächst einmal sieht sie umwerfend aus.«
Blablabla
, denkt Hannah.
Henry sieht sie an. »Das ist keine Beleidigung, oder? Ich darf ein hübsches Mädchen doch als hübsch bezeichnen?«
»Na klar darfst du das«, sagt Hannah. Das einzige Thema, das noch öder wäre als Figs Schönheit, ist die Frage, inwiefern Henry das Recht hat, sich zu diesem Thema zu äußern.
»Es ist nicht nur wegen ihres Aussehens«, sagt Henry. »Aber es wäre gelogen zu behaupten, dass es keine Rolle spielt. Und sie ist so vielseitig.«
Ein Euphemismus für »gut im Bett«, vermutet Hannah.
»Sie ist unberechenbar«, fährt Henry fort. »Sie ist so voller Energie, kann sich für alles Mögliche begeistern. Wenn man morgens um drei sagt: ›Jetzt würde ich gern nackt im Fluss baden‹, ist sie sofort Feuer und Flamme.«
Okay
, denkt Hannah.
Ich weiß Bescheid.
Und dann sagt Henry: »Kein Wunder, wenn sie mich also für einen ziemlich altmodischen Typen hält.«
»Aber Fig hat dafür doch eine Schwäche.«
»Glaubst du?«
»Sie braucht Publikum. Es ist so, als würde sie sich selbst im Kontrast zu allen definieren, die sie umgeben.« Hannah hat es zuvor nie zur Sprache gebracht, aber sie ist vom Wahrheitsgehalt ihrer Worte überzeugt. »In der sechsten Klasse gehörte ein Mädchen namens Amanda zu |91| unserem Softballteam. Amanda alberte immer herum – spielte ›Yankee Doodle‹ mit der Achsel oder schlug Purzelbäume, während der Trainer uns was erklären wollte, aber es war klar, dass er sie trotzdem mochte. Wenn wir im Bus saßen, hockte Amanda vorne und stellte den Radiosender ein. Sie sagte gern: ›Halten Sie die Spur, Trainer Halvorsen‹, und er machte dann immer einen Schlenker. Es war, als würde Amanda Fig mit ihren ureigenen Fig-Waffen schlagen. Und Fig konnte sie auf den Tod nicht leiden.«
»Moment mal«, sagt Henry. »Die spielte ›Yankee Doodle‹ mit der
Achsel
?«
»Das war ihre ganz besondere Spezialität.«
»Damit konnte Fig wohl nicht konkurrieren.«
Hannah lächelt. »Stimmt schon, das war außergewöhnlich, aber ich habe mir darüber nie Gedanken gemacht. Amanda rollte einfach ihr T-Shirt auf, schob eine Hand unter die Achsel und schlug mit dem Arm, als wollte sie ein Huhn nachmachen, und dabei quietschte es.«
»Wow! Und ich dachte, ich bin der Größte, weil ich die Augenlider nach außen drehen kann.«
»Ich weiß, was du meinst«, sagt Hannah. »Das machten die Jungs in meinem Schulbus auch immer, und alle Mädchen kreischten.«
»Und was war deine Spezialität in der Grundschule? Sag ja nicht, du hattest keine.«
Das Einzige, was Hannah in den Sinn kommt, ist kaum für
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