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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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Dave.
    »Aber sicher.« Jenny nickt. »Das wird bestimmt lustig.«
    |73| Als Hannah und Jenny in der Eingangshalle sind, die Wohnungstür ins Schloss gefallen und Dave dahinter zurückgeblieben ist, packt Jenny Hannah am Handgelenk und flüstert: »Dieser Typ war ja
so was
von daneben.«
    »Mir kam er ziemlich nett vor.«
    »Der war vielleicht gruselig. Wenn wir nebeneinander aufgewacht wären, hätte er bestimmt gesagt, dass er mich liebt.«
    Hannah schweigt.
    »Gut, dass du geschlafen hast«, sagt Jenny. »Das war eine kluge Entscheidung.«
    Entscheidung?
Hannah traut ihren Ohren nicht.
Gar nichts habe ich entschieden.
Dann denkt sie:
Oder doch?
    Sie gehen zum Auto. Draußen ist es klirrend kalt, die Luft eisig. Die Bar befindet sich am Fuß des Hügels; Hannah lässt den Motor laufen, während Jenny hineinrennt, um den anderen Mädchen zu sagen, dass sie die Rückfahrt antreten. Hannah geht davon aus, dass die anderen sich ärgern werden, aber da taucht Kim im Barfenster auf, sie lächelt und winkt. Hannah winkt ebenfalls.
    »Wir sollen morgen Nachmittag mal anrufen«, sagt Jenny, als sie wieder ins Auto steigt. »Vor Sonntagvormittag brauchen wir sie aber wahrscheinlich nicht abzuholen. Du kommst doch wieder mit?«
    Hannah ist überrascht – offenbar hat sie sich heute Abend doch nicht so merkwürdig benommen, dass Jenny sie komplett fallenlassen will. Eigentlich sollte sie dafür dankbar sein.
    Sie verfahren sich nur einmal, bis sie die Autobahn erreichen. Außer ihnen sind kaum Autos unterwegs – es ist kurz nach drei, wie Hannah auf der Digitalanzeige des Armaturenbretts sieht –, und auf beiden Seiten der Straße ragen dunkle Baumreihen auf. Michelles Auto fährt sich gut, und so stellt Hannah erst mit einem Blick auf den |74| Tacho fest, dass sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit um fast 30 Stundenkilometer überschreitet. Sie weiß ganz genau, dass sie das Tempo drosseln sollte, aber diese Fahrweise gibt ihr Kraft. Ihr wird klar, dass sie der vorzeitige Aufbruch zunächst enttäuscht hat. Irgendwo in ihrem Unterbewusstsein musste sie die stille Hoffnung gehegt haben, dass die anderen aus der Bar zurückkehren würden, dass Todd das Interesse an Michelle verloren hätte und dass schließlich sie, Hannah, mit ihm herummachen würde. Jetzt aber ist sie froh. Wenn sie und Todd sich morgen auf der Straße begegneten, würde er sie vermutlich nicht mal mehr erkennen.
    In dem Maße, in dem ihre Enttäuschung verblasst, verblasst auch ihre Gereiztheit gegenüber Jenny. Natürlich würde es einen aus der Fassung bringen, wenn ein Typ nur wenige Stunden nach dem ersten Kennenlernen mit einer Liebeserklärung ankäme. So etwas funktioniert nur in der Phantasie. So oder so kann sich Hannah kaum vorstellen, dass sie es jemals selbst erleben wird. Sie fragt sich, wie lange es noch dauern wird, bis sie jemanden küsst, bis sie mit jemandem schläft, bis ihr jemand sagt, dass er sie liebt. Sie fragt sich, ob sie wohl deswegen so spät dran ist, weil sie Dinge tut, die andere Mädchen nicht tun, oder umgekehrt. Vielleicht wird sie niemals jemanden küssen. Und auf ihre alten Tage dann eine seltene Erscheinung sein, so selten wie der Quastenflosser: Laut ihrem Lehrbuch zur Evolutionsbiologie galt dieser Fisch als vor siebzig Millionen Jahren ausgestorben, bis man in den 1930er Jahren vor der Küste Madagaskars ein Exemplar fand; später tauchte ein weiteres auf einem Markt in Indonesien auf. Auch Hannah wird mit Quastenflossen und blauem Schuppenkleid lautlos und einsam durch dunkle Gewässer gleiten.
    Eine halbe Stunde schweigen beide. Kurz nachdem sie |75| ein Schild passiert haben, das eine Raststätte an der nächsten Ausfahrt anzeigt, sagt Jenny: »Hast du Lust auf einen Kaffee? Ich lad dich ein.«
    »Und du?«, fragt Hannah. Sie trinkt keinen Kaffee.
    »Wenn du nichts dagegen hast.«
    Hannah setzt den Blinker und fährt von der Autobahn ab. Am Ende der Ausfahrt sieht sie das etwa dreißig Meter hohe Raststättenschild blinken, daneben ein hell erleuchteter, fast leerer Parkplatz. Sie wartet, bis das Stopplicht erlischt.
    »Komisch«, sagt Jenny. »Ich glaub, ich hab gerade ein Déjà-vu.«
    »Von dieser Raststätte?«
    »Alles. Dieses Auto, und dass du es fährst.«
    »Déjà-vus erlebst du, wenn du eine Situation mit den Augen schneller erfasst als mit dem Gehirn«, erklärt Hannah. »Das hab ich mal irgendwo gelesen.« Jenny antwortet nicht, und Hannah – sie spürt förmlich, wie die Worte aus ihr

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