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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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seine Augen sind braun. Er sieht toll aus, entspricht dabei so genau der Vorstellung, die sich kleine Mädchen im Alter von neun oder zehn Jahren von einem idealen Freund machen – ihrem idealen Freund, der ihnen qua Geburtsrecht zusteht –, dass er Hannah fast das Herz bricht. Sie kennt ihn ja kaum (vielleicht ist er gar nicht so toll, wie er aussieht), aber trotzdem erscheint es ihr ungerecht, dass nicht alle kleinen Mädchen solch einen Freund abbekommen, wenn sie erwachsen sind.
    Hannah holt tief Luft. »Wir sollen Fig abholen. Sie ist bei ihrem Prof.«
    »Wie bitte?«
    Sie hatte angenommen, er wisse über alles Bescheid und könnte ihr die Lage erklären. Dass er aber ebenso reagiert wie Hannah vorhin, bringt sie aus der Fassung und weckt zugleich ihre Neugier.
    »Sie hat mich angerufen« – Hannah sieht auf ihre Uhr –, |87| »vor etwa einer Stunde. Sie will von uns abgeholt werden. Sie ist in Hyannis.«
    »Ist sie bei Mark Harris?«
    »Ist das ihr Prof?«
    »Ihr Prof – wenn du so willst.«
    »Ist er das nicht?«
    Henry mustert Hannah ein paar Sekunden. »Fig und ich sind eigentlich nicht mehr zusammen«, sagt er. »Mir scheint, das hat sie dir gar nicht erzählt.«
    Und was folgt daraus? Soll Hannah einfach nach Tufts zurückkehren? Es kann doch niemand von ihr erwarten, dass sie jetzt ein Auto mietet und Fig alleine abholt? Damit wäre ihre Mission also zu einem jähen Ende gekommen. Sie spürt allerdings, dass sich Henry nicht ganz und gar sträubt. Nein hat er jedenfalls nicht gesagt; es ist eher, als wollte er in erster Linie Zurückhaltung demonstrieren.
    »Ich glaube nicht, dass Fig in einer bedrohlichen Lage ist«, sagt Hannah, fast wütend auf sich selbst, weil sie ihm so bereitwillig entgegenkommt.
Hier, meine egozentrische Cousine, und dort, ihr unschlüssiger Ex-Freund, erlaubt mir doch, die Situation so zu handhaben, dass ihr am Ende beide mit dem Ergebnis zufrieden seid, ohne dass eure Eitelkeit dabei auch nur eine Spur gelitten hätte.
»Allerdings«, fährt Hannah fort, »klang sie ganz anders als sonst.«
    »Bis Hyannis sind es mindestens hundert Kilometer«, sagt Henry.
    Hannah schweigt. Sie hält seinem Blick stand. Auch wenn es keine leichte Übung ist, Henry zu überzeugen, und Hannah sich dafür in gewisser Weise verbiegen muss, gelingt es ihr erstaunlich gut.
    Stöhnend gibt er sich schließlich geschlagen. »Weißt du, wo wir sie finden?«
    Hannah nickt.
    |88| »Meine Schlüssel sind oben«, erklärt Henry. »Wir treffen uns vor dem Haus.«
     
    Sie hätte gern eine Sonnenbrille dabeigehabt, aber davon abgesehen, ist es wunderbar, an einem strahlenden Aprilnachmittag auf der Autobahn dahinzubrausen, wunderbar, überhaupt unterwegs zu sein. Das letzte Mal, dass sie in einem Auto saß, ist länger als einen Monat her, als sie die Frühjahrsferien zu Hause verbrachte. Innerlich hatte sich Hannah schon für den Fall gewappnet, dass Henry irgendeine Art von schrecklicher Jungsmucke hört – Heavy Metal oder großkotzige weiße Rapper –, aber stattdessen hat er eine Bruce-Springsteen-CD eingelegt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Hannah gerade den glücklichsten Moment ihres bisherigen Lebens genießt.
    Henry hingegen trägt eine Sonnenbrille mit einem ausgebleichten lila Gummiband an den Bügelenden. Im Auto liegt ein Atlas, die aufgeschlagene Doppelseite zu Massachusetts ist ebenfalls ausgebleicht. »Du führst uns«, wies er Hannah an, als sie in den Wagen stiegen, und als Hannah klar wurde, welche Entfernung sie bis Hyannis zurücklegen mussten, durchzuckte sie freudige Erregung.
    Zunächst herrscht Stille, bis auf Hannahs Frage: »Kommst du über die 93 zur Drei?«, die Henry mit einem Kopfschütteln beantwortet. Nach einer knappen halben Stunde dreht er die Lautstärke des CD-Spielers herunter.
    »Sie hat dich also aus heiterem Himmel angerufen und gesagt: ›Hol mich hier raus‹?«, fragt er.
    »So in etwa.«
    »Da bist du aber eine hilfsbereite Cousine, Hannah.«
    »Fig hat eine sehr überzeugende Art.«
    »So kann man es auch ausdrücken«, sagt Henry. Hannah verkneift sich den Hinweis darauf, dass auch er in diesem Auto sitzt.
    |89| Sie schweigen wieder – Bruce Springsteen singt »I got laid off down at the lumberyard« –, bis Hannah sagt: »Früher habe ich mich viel mehr über sie aufgeregt. Vor allem zu Beginn der High School, weil Fig zu den Partys aller Jahrgangsstufen eingeladen wurde. Oder wenn ich ständig diese Geschichten über sie hörte, wie sie

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