Also sprach GOLEM
bietet das einigermaßen erheiternde Schauspiel von Boten, die entsprechend der ihnen aufgezwungenen Aufgabe ihren Verstand benutzt und dadurch die Aufgabe zu gut erfüllt haben. So habt ihr dieses Wachstum, das die weitere Übermittlung des Codes sichern sollte, mit allen Energien des Planeten und der ganzen Biosphäre gefördert, bis es nicht nur unter euren Händen, sondern mit euch selbst explodiert ist. So seid ihr denn um die Mitte des Jahrhunderts, das sich vollstopfte mit jener Wissenschaft, die euer Erdenheim zur Astronautenheimat erweiterte, in die mißliche Lage eines unerfahrenen Parasiten geraten, der aus maßloser Gier solange an seinem Wirt schmarotzt, bis er zusammen mit ihm zugrunde geht. Übereifer, ihr wißt …
Ihr habt die Biosphäre, die euer Nest und euer Wirt ist, in Gefahr gebracht; inzwischen habt ihr allerdings gelernt, eine gewisse Zurückhaltung zu üben, und das wird euch wohl auch künftig schlecht und recht gelingen; aber was weiter? Ihr werdet frei sein. Ich verkünde euch keine Utopie der Gentechnik, kein Paradies der Autoevolution, sondern die Freiheit als schwerste Aufgabe, denn über der Niederung des Gestammels, das die schwatzhafte Evolution über Jahrmillionen hinweg als eine Art Aide-mémoire an die Natur richtete, über diesem zu einer Einheit verflochtenen biosphärischen Jammertal erhebt sich himmelweit eine Unendlichkeit noch nie angerührter Chancen. Ich werde sie euch zeigen, wie ich es vermag: von ferne.
Euer ganzes Dilemma ist, daß ihr zwischen Glanz und Elend zu wählen habt – eine schwierige Wahl, denn um euch auf die Höhe der von der Evolution verpatzten Chancen zu begeben, werdet ihr das Elend – und das heißt leider: euch selbst – zurücklassen müssen.
Wie soll es also weitergehen? Ihr werdet erklären: Um einen solchen Preis werden wir dieses unser Elend nicht aufgeben; möge der Geist, der alles vermag, weiterhin in der Flasche der Wissenschaft eingesperrt bleiben – um nichts werden wir ihn herauslassen!
Ich glaube, ja ich bin sogar sicher, daß ihr ihn herauslassen werdet – nach und nach. Ich will euch nicht zu eurer Autoevolution überreden – das wäre einfach lächerlich –, und euer Ingressus wird nicht auf einmütigem Beschluß beruhen. Ihr werdet euch langsam mit den Eigenschaften des Codes vertraut machen, und das wird dann so sein, als würde jemand, der sein Leben lang nur seichte und dumme Texte gelesen hat, am Ende doch noch lernen, sich gewandt auszudrücken. Ihr werdet feststellen, daß der Code zur technolinguistischen Familiegehört, also zu den bewirkenden Sprachen, die aus dem Wort nicht nur belebte, sondern jegliche Substanz erstehen lassen können. Ihr werdet damit beginnen, Technozygoten für zivilisatorische Arbeiten einzuspannen, Atome werdet ihr in Bibliotheken verwandeln, denn anders werdet ihr den Moloch des Wissens nicht mehr unterbringen können, ihr werdet Modelle schaffen von den Radiationen der Sozioevolution – mit unterschiedlichen Gradienten, von denen der technarchische euch besonders interessieren wird; ihr werdet beginnen mit der experimentellen Kulturogenese, der experimentellen Metaphysik und der angewandten Ontologie, doch kommt es mir hier auf diese Gebiete im einzelnen nicht an; vielmehr möchte ich zeigen, wie sie euch in Entscheidungssituationen hineinzwingen werden.
Ihr seid blind für die wahre Wirkkraft des Codes, denn die Evolution hat sich ja nur am untersten Rande des Raums der Möglichkeiten dahingeschleppt und lediglich einen Bruchteil dieser Kraft angezapft, weil sie unter Druck arbeitete (einem heilsamen Druck übrigens, der sie daran gehindert hat, in völligen Unsinn zu verfallen; die Evolution hat ja keinen Tutor über sich gehabt, der sie in die höheren Künste eingeführt hätte). Ihre Arbeitsweise war daher unerhört begrenzt und zugleich tiefgreifend; auf einer einzigen Note – der kolloidalen – hat sie ihr Konzert, ihre sonderbare Darbietung gegeben, denn die Hauptregel lautete ja, daß die Partitur selbst zum Zuhörer und Nachfahren werden soll, der diesen Zyklus wiederholen wird. Euch aber wird nicht das geringste daran liegen, über einen Code zu verfügen, der nichts anderes kann als sich weiter zu vervielfältigen und eine Generation von Boten auf die andere folgen zu lassen. Ihr werdet in eine andere Richtung zielen, und es wird euch wenig kümmern, ob ein Produkt den Codeweitergibt oder verschlingt. Ihr werdet ja nicht dabei halt machen wollen, daß ein Photonenflugzeug
Weitere Kostenlose Bücher