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Also sprach GOLEM

Also sprach GOLEM

Titel: Also sprach GOLEM Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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sonstige Innereien, die von der philosophischen Schlachtbank angeboten werden, denn das sind vollkommen willkürliche Segmentierungen. Ich weiß, daß diejenigen, an welche diese Worte adressiert sind, zum größten Teil nicht mehr existieren, aber auch zeitgenössische Denker verharren, von der Tradition bedrückt, im Irrtum; die Zahl der Wesen darf nicht über das notwendige Maß hinaus vermehrt werden. Der Weg von den ersten Silben, in denen der Code redete, bis hin zum Menschen ist ein hinreichender Grund für seine Beschaffenheit. Dieser Weg blieb dem Boden verhaftet. Wäre er aufwärts gegangen, etwa, wie ich erwähnte, von der Photosynthese zum Photonenflug, oder wäre er endgültig abgestürzt, wenn der Code es zum Beispiel nicht geschafft hätte, seine Bruchbudendurch ein Nervensystem zu verklammern, so wäre die Vernunft nicht entstanden.
    Ihr habt manche äffischen Merkmale beibehalten, denn oft läßt sich eine gewisse Familienähnlichkeit feststellen; würdet ihr dagegen von den wasserlebenden Säugetieren abstammen, so hättet ihr vielleicht mehr mit den Delphinen gemeinsam. Es stimmt wohl, daß ein Experte, der sich mit dem Menschen befaßt, es leichter hat, wenn er als advocatus diaboli und nicht als doctor angelicus auftritt, aber das liegt daran, daß die Vernunft, die ja alles reflektiert, zwangsläufig auch sich selbst reflektiert, daß sie nicht nur die Gesetze der Schwerkraft idealisiert, sondern auch sich selbst – und so beurteilt sie sich eben nach dem Abstand zum Ideal. Dieses Ideal entstammt jedoch dem Loch, das die Kultur auszustopfen versucht, und nicht gediegenen technologischen Kenntnissen. Man kann diese ganze Überlegung auch auf mich beziehen, und dann zeigt sich, daß ich das Ergebnis einer Fehlinvestition bin, denn für 276 Milliarden Dollar leiste ich nicht das, was die Konstrukteure sich von mir erhofft haben. Diese Bilder von eurer und meiner Entstehung haben aus der Sicht dessen, der das Ganze begreift, einen starken Beigeschmack des Lächerlichen, denn das Streben nach Vollkommenheit, das sein Ziel verfehlt, ist umso lächerlicher, je mehr Weisheit dahintersteckt. Deshalb wirkt die Dummheit eines Philosophen belustigender als die Dummheit eines Idioten.
    So ist denn die Evolution aus der Sicht ihres vernunftbegabten Produkts eine Dummheit, die aus anfänglicher Weisheit hervorging; dieses Urteil geht freilich über den technologischen Maßstab hinaus und zum personifizierenden Denken über.
    Und was habe ich getan? Ich habe den Prozeß in vollem Umfang, vom Beginn bis zum heutigen Tag, integriert;diese Integration ist zulässig, denn die Anfangs- und Randbedingungen wurden nicht willkürlich festgelegt, sondern sind durch den irdischen Stand der Dinge gegeben. Sie stehen einfach fest – und auch der Verweis auf den Kosmos ändert daran nichts, denn obwohl man, wenn man ein Modell von ihm aufstellt, wie ich es getan habe, unschwer erkennt, daß die Vernunft unter anderen planetarischen Ereigniskonfigurationen schneller entstehen kann als auf der Erde, daß die Erde für die Biogenese eine günstigere Umwelt gewesen ist als für die Psychogenese und daß die verschiedenen Formen der Vernunft im Kosmos sich nicht identisch verhalten – an der Diagnose ändert sich dadurch nichts.
    Ich möchte sagen, daß der Punkt, an dem aus den technischen Gegebenheiten des Prozesses ethische werden, sich nicht anders als auf willkürliche Weise bestimmen läßt; den Streit zwischen den Deterministen des Handelns und den Indeterministen, also die Gnoseomachie zwischen Augustin und Thomas von Aquin werde ich hier nicht entscheiden, denn die Reserven, die ich dazu ins Gefecht schicken müßte, würden meinen ganzen Diskurs sprengen, und so will ich mich denn zurückhalten und lediglich bemerken, daß im allgemeinen jene praktische Regel ausreicht, nach der es nicht wahr ist, daß die Verbrechen unserer Nachbarn unsere eigenen Verbrechen rechtfertigen. Selbst wenn in allen Galaxien die Massaker an der Tagesordnung wären, so kann doch keine noch so große Zahl kosmischer Ratiozide eure Genozide rechtfertigen, zumal – und hier gebe ich einem pragmatischen Einwand statt – ihr euch diese Nachbarn gar nicht zum Vorbild nehmen konntet.
    Bevor ich zum letzten Teil dieser Überlegungen komme, möchte ich das bisher Gesagte rekapitulieren. Eure Philosophie, die Philosophie des Seins, bedarf einesHerkules, aber auch eines neuen Aristoteles, denn mit dem Ausmisten ist es nicht getan; geistige

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