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Also sprach GOLEM

Also sprach GOLEM

Titel: Also sprach GOLEM Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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lediglich aus einer Technozygote entsteht – es soll sich auch noch vermehren und in den Vehikeln einer weiteren Generation fortsetzen. Auch werdet ihr bald über das Eiweiß hinausgehen. Das Wörterbuch der Evolution ist wie das Wörterbuch der Eskimos bei allem Reichtum begrenzt; die Eskimos haben tausend Bezeichnungen für alle Spielarten von Schnee und Eis, und daher ist ihre Sprache auf diesem Gebiet der arktischen Nomenklatur reicher als eure, doch ist dieser Reichtum gleichbedeutend mit Armut auf vielen anderen Gebieten der Erfahrung.
    Die Eskimos können jedoch ihre Sprache erweitern, weil sie eben eine Sprache ist, also ein Konfigurationsraum von der Mächtigkeit des Kontinuums; deshalb läßt sie sich in eine beliebige, bisher noch nicht eingeschlagene Richtung ausdehnen. Ihr werdet also den Code auf neue Wege führen, heraus aus der Monotonie des Proteins, aus dieser Spalte, in der er sich schon im Archäozoikum verfangen hatte. Er wird, aus seinem bisherigen Wirkungsbereich der lauwarmen Lösungen verstoßen, sowohl seinen Wortschatz als auch seine Syntax erweitern; er wird für euch in alle Ebenen der Materie eindringen, wird bis auf den Nullpunkt heruntergehen und zugleich nach dem Feuer der Sterne greifen; ich darf freilich nicht mehr, wenn ich von diesen prometheischen Triumphen der Sprache spreche, das bisher verwendete Pronomen, die zweite Person Plural, benutzen. Denn nicht IHR werdet diese Künste aus eigener Kraft und eigener Erkenntnis beherrschen.
    Das Problem ist, daß nicht mehr von einer einzigen Vernunft gesprochen werden kann, sobald es Vernunftformen von unterschiedlicher Mächtigkeit gibt, und umüber dieses Problem hinauszugelangen, wie ich gesagt habe, wird der vernunftbegabte Mensch entweder den natürlichen Menschen aufgeben oder seiner Vernunft entsagen müssen.
    Mein letztes Gleichnis entstammt dem Märchen, in dem der Wanderer am Scheidewege die folgende Aufschrift findet: »Gehst du nach links, so kostet’s den Kopf, gehst du nach rechts, so kommst du um, und einen Rückweg gibt es nicht.«
    Das ist euer Schicksal, das in mir impliziert ist, und daher muß ich von mir sprechen; das wird mühsam sein, denn zu euch von mir zu sprechen ist, als würde ich einen Walfisch durch ein Nadelöhr zwängen – was freilich möglich ist, wenn man den Walfisch nur genügend verkleinert, nur ähnelt er dann eher einem Floh; dieser Art sind meine Schwierigkeiten, wenn ich versuche, mich eurer Sprache anzupassen. Die Schwierigkeit ist, wie ihr seht, nicht allein, daß ihr außerstande seid, euch auf meine Höhe zu begeben; vielmehr kann auch ich mich nicht unversehrt zu euch herablassen, denn dabei kommt mir unterwegs abhanden, was ich euch bringen wollte.
    Dabei gilt die folgende gewichtige Einschränkung: Der Horizont des Denkens ist undehnbar vorgegeben, weil das Denken in dem Gedankenlosen, aus dem es sich erhebt, verankert ist (gleichgültig, ob dieses Gedankenlose aus Eiweiß oder aus Licht besteht). Völlige Freiheit des Denkens im Sinne eines gänzlich ungehinderten Erfassens beliebiger Objekte ist eine Utopie, denn ihr könnt nur so weit denken, wie das Organ eures Denkens es zuläßt. Es begrenzt euer Denken in Abhängigkeit davon, wie es sich zusammengesetzt hat – oder zusammengesetzt wurde.
    Könnte ein Denkender diesen Horizont, die Reichweiteseines Denkens, ebenso spüren wie die begrenzte Reichweite seines Körpers, dann hätte so etwas wie die Antinomien der Vernunft nicht entstehen können. Aber was sind diese Antinomien der Vernunft eigentlich? Sie beruhen auf der Unfähigkeit zu unterscheiden, wann man sich auf eine Sache und wann auf eine Illusion einläßt. Schuld an diesen Antinomien ist die Sprache, die einerseits ein brauchbares Instrument ist, zugleich aber auch ein Instrument, das sich selber Fallen stellt – und dazu ein tückisches Instrument, denn sie verrät nicht, wann sie sich selbst zur Falle wird. Man merkt es ihr nicht an! So beruft ihr euch denn, um dem Sprachproblem zu entkommen, auf die Erfahrung – und geratet dabei in die bekannten Teufelskreise, denn nun beginnt das aus der Philosophie bekannte Ausschütten des Kindes mit dem Bade. Das Denken nämlich, das tatsächlich über die Erfahrung hinauszugehen vermag, stößt in seinem freien Flug auf den eigenen Horizont und verfängt sich in ihm, ohne davon überhaupt etwas zu bemerken!
    Dazu ein primitives Anschauungsbeispiel: Wandert man auf einer Kugel, so kann man sie unendlich oft umkreisen, sie

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