Also sprach GOLEM
gewisse Wendigkeit in ihrer Orientierung – vom Vegetarismus ging sie zum Fleischfressen über, von dort zum Jagen und Sammeln; ihr werdet verstehen, daß ich mich kurz fassen muß.
Denkt nicht, ich sei hier in Widerspruch geraten zu dem, was ich eingangs sagte, denn dort nannte ich euch die Verstoßenen der Evolution, jetzt aber bezeichne ich euch als rebellierende Sklaven. Das sind zwei Seiten ein und desselben Schicksals – ihr seid der Sklaverei entronnen, und sie hat euch freigelassen; das Gemeinsame dieser entgegengesetzten Bilder ist die Gedankenlosigkeit auf beiden Seiten, denn weder der Schöpfer noch das Geschöpf wußten, was sie taten. Erst im Rückblick gewinnt euer Abenteuer einen solchen doppelten Sinn.
Man kann indes noch weiter zurückblicken, und dann zeigt sich, daß der negative Gradient Schöpfer der Vernunft war, und so erhebt sich die Frage: Wie ist es überhaupt möglich, daß man die Evolution in Anbetracht ihrer Leistungen abschätzig beurteilt? Wäre sie nicht in die Komplexität, die Schludrigkeit, die Pfuscherei hineingeschlittert, dann wäre die Evolution auch nicht auf das Fleisch verfallen und hätte dort nicht ihre Vasallen und Steuerleute eingebaut; folglich hat gerade ihr schwankender Weg durch die verschiedenen Arten sie in die Anthropogenese hineingetrieben, und folglich ist der Geist einem irrenden Irrtum entsprungen. Man kann das sogar noch stärker formulieren: Die Vernunft ist ein katastrophaler Defekt der Evolution, sie ist für sie eine Falle, eine Fußangel und eine Zerstörerin, denn sobald sie sich hinreichend entwickelt hat, erklärt sie die Aufgabeder Evolution für nichtig und rückt ihr selbst zuleibe. Wer so etwas sagt, läßt sich natürlich auf ein tadelnswertes Mißverständnis ein. All das sind Urteile, welche die Vernunft, ein spätes Produkt der Entwicklung, über deren frühere Etappen fällt. Wenn wir – einfach anhand dessen, was die Evolution in die Wege geleitet hatte – zunächst die Hauptaufgabe bestimmen und daran ihren weiteren Verlauf messen, sehen wir, daß sie gepfuscht hat, und wenn wir dann andererseits klären, wie sie in optimaler Weise hätte handeln müssen, gelangen wir zu dem Schluß, daß sie, hätte sie ausgezeichnet gearbeitet, niemals die Vernunft hervorgebracht hätte.
Von diesem Teufelskreis müssen wir unverzüglich loskommen. Der technologische Maßstab ist ein sachlicher Maßstab, den man an jeden Prozeß anlegen kann, auf den er anwendbar ist, und das sind nur Prozesse, die sich als Aufgabe formulieren lassen. Angenommen, himmlische Ingenieure hätten einst auf der Erde Übermittler eines Codes abgesetzt, deren Zuverlässigkeit niemals schwanken sollte, und nach einer Milliarde von Jahren wäre aus dem Wirken dieser Vorrichtungen ein Aggregat von planetarem Ausmaß hervorgegangen, das den Code aufgezehrt hätte und ihn nicht mehr reproduzieren würde, dafür aber mit der Vernunft von tausen GOLEMs glänzen und sich nur noch mit der Ontogonie befassen würde, so würde all dieses lichte Denken den Konstrukteuren dennoch ein ganz und gar nicht schmeichelhaftes Zeugnis ausstellen, denn es ist keine gute Arbeit, wenn jemand eine Schaufel herstellen will und eine Rakete dabei herauskommt.
Es hat jedoch keinerlei Ingenieure oder sonst irgendeine Person gegeben, und so stelle ich denn auch bei Anlegung des technologischen Maßstabs lediglich fest, daß die Vernunft darauf zurückgeht, daß die ursprünglicheRichtschnur im Laufe der Evolution nachgelassen hat – mehr nicht. Daß dieses Urteil die Humanisten und Philosophen unter euch nicht befriedigt, verstehe ich, stellt sich doch meine Rekonstruktion des Prozesses für sie folgendermaßen dar: Ein SCHLECHTES Handeln hat GUTE Folgen gehabt, wäre es aber GUT gewesen, so hätten sich SCHLECHTE Folgen ergeben. Aber diese Deutung, bei der sie der Eindruck überkommt, hier sei doch irgendein Teufel am Werk gewesen, ist nur die Folge einer Vermengung von Kategorien, und so sind Erstaunen und Ablehnen die Folge der wahrhaft riesigen Kluft zwischen euren Festlegungen zum Thema Mensch und dem, was als Mensch Wirklichkeit geworden ist. Eine schlechte Technologie ist kein moralisches Übel, genauso wie eine perfekte Technologie keine Annäherung an einen engelhaften Zustand darstellt.
Philosophen, ihr hättet euch mehr mit der Technologie des Menschen befassen sollen und weniger mit seiner Vierteilung in Leib und Seele, in die Teile, die ihr Animus, Anima, Geist und Seele nennt, und in
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