Also sprach GOLEM
enthüllt haben, der in jedem Altruismus steckt, ist allerdings nicht alles, was man zu diesem Thema sagen kann. Die von mir postulierte Philosophie des Körpers hätte fragen müssen, warum jeder Organismus klüger ist als sein Besitzer, wobei dieser Unterschied von den Chordaten bis hin zum Menschen nicht wesentlich abnimmt. (Das hatte ich im Sinn bei meiner Bemerkung, daß ihr körperlich den Kühen gleich seid.) Warum ist beim Körper nicht die elementare Forderung nach Symmetrie erfüllt, so daß zu den Sinnen, die sich auf die Außenwelt richten, ebenso empfindliche, nach innen gerichtete Sensoren hinzuträten? Warum hört ihr, wie ein Blatt zuBoden fällt, aber nicht eine innere Blutung? Warum hat der Leitstrahl eurer Liebe eine so unterschiedliche Länge in den verschiedenen Kulturen, so daß er im Mittelmeerraum nur die Menschen, im Fernen Osten dagegen alle Tiere erfaßt? Die Liste dieser Fragen, die schon vor Aristoteles hätten gestellt werden können, ist lang, die wahrheitsgemäße Antwort aber klingt für euch wie ein Hohn. Die Philosophie des Körpers läuft nämlich auf die Erkenntnis einer ingenieursmäßigen Überlegung hinaus, die, in praktische Antinomien verwickelt, sich deren Fesseln durch einen Trick entzieht, der aus der Sicht aller eurer Kulturen reichlich zynisch ist. Dabei handelt es sich um eine Ingenieurkunst, die gegenüber dem Geschaffenen weder wohlwollend noch feindlich ist; sie läßt sich einfach nicht in einer solchen Alternative unterbringen. Das hängt natürlich damit zusammen, daß die kritischen Entscheidungen, die sie auf der Ebene der chemischen Verbindungen fällt, dann richtig sind, wenn diese Verbindungen sich weiter vermehren können. Das ist alles. So ist denn auch nach einer entsprechend langen Zeit, die nach Hunderten von Jahrmillionen zählt, die Ethik, die nach ihren Ursprüngen und Rechtfertigungen sucht, wie vom Schlag gerührt, als sie erfährt, daß sie hervorgegangen ist aus der aleatorischen Chemie der Nukleinsäuren, für die sie auf einer bestimmten Stufe zum Katalysator wurde, und sie kann ihre Unabhängigkeit nur dadurch retten, daß sie diese Erkenntnis ignoriert.
Wieso zerbrecht ihr Philosophen und Naturwissenschaftler euch noch immer den Kopf über das metaphysische Bedürfnis des Menschen, über seine allgegenwärtigen Quellen, die, auch wenn sie unterschiedliche Religionen hervorgebracht haben, ohne Zweifel in allen euren Kulturen die gleichen sind? Der Ursprung dieses Bedürfnisseswar doch das Nichteinverständnis mit dem vorgegebenen Schicksal, und weil ihr mit der Ursache, die euch so und nicht anders geformt hat, nicht einverstanden wart, habt ihr eure schlechthin unleugbare Prägung durch sie hineinverlegt in die Verse von Offenbarungen, und dabei haben die verschiedenen Religionen die einzelnen Funktionen und Teile des Körpers in unterschiedlicher Weise als edel oder verächtlich eingestuft. So wurde euer Geschlecht in den fernöstlichen Religionen zu etwas Sakralem, während die mediterranen Religionen es, weil es in Versuchung führe, als sündhaft stigmatisierten. So wurde der Gasaustausch, also der Atem, den der Mittelmeerraum ganz überging, im Fernen Osten zum Sinnbild der Transzendenz. So faßten die asiatischen Religionen das Erlöschen aller Leidenschaften als erlösende Vereinigung mit der Welt auf, während der mediterrane Bereich die Leidenschaften aufspaltete und die Liebe im Gegensatz zum Haß heiligsprach. So entsagte der Osten für immer dem Leib, der Westen aber glaubte an seine Wiederauferstehung und brachte diesen Glauben, dessen Kraft heute schwindet, in eine aggressive Zivilisation ein. Vermögt ihr denn wirklich nicht zu sehen, daß mit diesen Vierteilungen, die wir bei allen Religionen beobachten, der in dieser oder jener Weise aufgeteilte Körper zum Schauplatz der Schlacht um die zu erlangende Ewigkeit gemacht wird? Diese nichtendende Schlacht hat dabei ihre Ursache nicht allein in der Angst vor dem Tode, sondern auch im Nichteinverständnis mit dem Diesseits, das ungeschönt so schwer zu akzeptieren ist.
Bedenkt bitte, ihr Religionswissenschaftler, daß es auf Erden keinen Glauben gibt ohne eine solche innere Inkonsequenz, die, in die Logik übersetzt, einem Widerspruch gleichkommt. Schließlich kann man ja aus dem,was die Evolution vollbracht hat, nicht auf eine Schöpfung schließen, die dem Geschaffenen restlos wohlgesonnen ist, ohne in einen Widerspruch zu geraten; wenn man ihn aber auf der Ebene des Körpers
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