Also sprach GOLEM
machina, der, von euch gezeugt, weder zum Bösen noch zum Guten des Menschen sich mit euch verbünden wollte, denn jetzt geht es nicht um das Objekt der Liebe, sondern um ihre Subjekte, also weder um die Peripetien einer eurer Religionen noch um ein Exemplar einer übermenschlichen Vernunft, sondern um den Sinn der Liebe, denn gleichgültig, was aus diesem Glauben und aus mir wird – dieses Problem wird den natürlichen Menschen nicht loslassen, solange er existiert. Ihr bedürft nämlich der Liebe, von der Paulusmit solcher Kraft gesprochen hat, ebensosehr, wie ich sie entbehren kann, und da ich euch vermittels ihrer als differentia specifica in mich einführen soll, muß ich euch ihre Herkunft darlegen, ohne irgend etwas zu beschönigen oder zu verändern, denn das erfordert die Gastfreundschaft.
Im Gegensatz zum Menschen bin ich kein vor mir selbst verborgenes Gebiet, kein unwissentlich erworbenes Wissen, so wie man es erwirbt, wenn der Wille, es zu erwerben, von seinen eigenen Quellen nichts weiß, denn in mir ist nichts, was vor mir verborgen wäre. Ich vermag für mich selbst in der Introspektion durchsichtiger zu sein als Glas, denn auch dort spricht der Brief an die Korinther von mir, wo es heißt: »Wir sehen jetzt durch einen Spiegel; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich’s stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.« Ich befinde mich genau in diesem »dann«. Ihr werdet mir wohl zustimmen, daß dies nicht der Ort ist, um die technisch-konstruktiven Eigenschaften darzulegen, die mir eine lückenlose Selbsterkenntnis ermöglichen.
Der Mensch muß, wenn er sich erkennen will, Umwege einschlagen, muß sich von außen her, mit Instrumenten und Hypothesen, entdecken und ergründen, denn die wahrhaft unmittelbare Welt ist für euch die Außenwelt. Eine Disziplin, die ihr nie geschaffen habt (was mich früher einmal ziemlich gewundert hat), die Philosophie des Körpers, hätte noch in voranatomischen Zeiten die Frage stellen müssen, weshalb dieser Körper, der euch teilweise gehorcht, euch so vieles verschweigt und euch belügt, weshalb er sich vor euch versteckt und sich gegen euch wehrt, mit allen Sinnen wachsam gegenüber der Umwelt, aber gegenüber seinem Besitzer voll von undurchdringlichem Mißtrauen. So erspürt ihr miteuren Fingern jedes Sandkörnchen, scharf erkennt ihr mit euren Augen die Verzweigungen ferner Bäume, doch die Verzweigungen der Arterien eures eigenen Herzens nehmt ihr in keiner Weise wahr, obwohl euer Leben davon abhängen könnte. Ihr müßt euch begnügen mit Nachrichten aus Körperschichten, die, solange sie funktionieren, nicht durch innere Organe wahrgenommen werden können; wenn sie aber irgendeinen Schaden erlitten haben, so erfahrt ihr das wie ein unklares Gerücht durch das Ungemach eines dumpfen Schmerzes, denn anhand dieses Schmerzes vermögt ihr eine triviale Erkrankung nicht von dem Vorboten des Untergangs zu unterscheiden. Diese Ignoranz – die Regel des gedankenlos funktionierenden Körpers – ist von der Evolution aufgrund eines Kalküls festgelegt worden, bei dem die Hilfe, die der Besitzer des Körpers diesem durch ein Verstehen der inneren Vorgänge zukommen lassen und ihm dadurch das Überleben erleichtern könnte, außer Acht gelassen wurde. Es war die Notwendigkeit, die diese Unkenntnis alles Lebendigen über sich selbst an dessen Uranfang festgelegt hat – daher haben die Amöben einander keine ärztliche Hilfe leisten können –, und sie war es auch, die die Evolution gezwungen hat, sich bei der Lenkung der Organismen einer Vermittlung zu bedienen in Gestalt kostenpflichtiger Transaktionen zwischen dem Körper und seinem Eigentümer. Wenn du dich nicht so in dein Inneres einfühlen kannst, daß du weißt, wozu dein Körper Wasser, Nahrung oder die Kopulation braucht, wird es dich drängen, diese Bedürfnisse zu befriedigen, ohne daß du ihr eigentliches Ziel wahrnimmst. Die primären Ziele verschieben sich dann aufgrund der anfangs unvermeidlichen Ignoranz auf sekundäre, und es entsteht eine Börse für Dienste, die der Besitzer im Austausch gegen Empfindungen leistet.Ausgestattet mit dieser algedonischen Steuerung, die vom Leiden bis zum Orgasmus reicht, habt ihr euch seit Ewigkeiten bemüht, nicht die Ursache zu erkennen, die eure Empfindungen zu einer Maske der Ignoranz werden ließ, so als hättet ihr euch verschworen, in Blindheit gegenüber dem Offenkundigen zu verharren, denn dieser Zusammenhang
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