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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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mir zur zweiten Natur geworden, versuchte ich doch, das andere Geräusch zu deuten. Es war kein Donner, sondern ein gedämpftes ›Paff-PaffPaff‹, wie aus weiter Ferne, hin und wieder übertönt von einem Brummen, das näher klang. Noch etwas: Unter meine Stirn, die ich noch immer so verbissen gegen den Stamm gepreßt hielt, daß es schmerzte, schlich sich ein schüchterner Lichtstrahl. Mit einem Arm hielt ich meinen geliebten Baum umschlungen, während ich mit der freien Hand an den Pflastern nestelte und sie noch ein wenig mehr lockerte. Der Morgen dämmerte, und es hatte aufgehört zu regnen.
    Wenn der Baum nicht gewesen wäre, hätte ich mich kaum aufrichten können. An ihn gestützt, legte ich den Kopf in den Nacken und spähte unter den hochgeschobenen Pflastern ins Freie. Da stand einer! Klobige braune Gummistiefel, grünlichbraune Hosenbeine, die glänzende Mündung einer Maschinenpistole. Er hatte mich beim Spionieren erwischt! Ich hatte das Unverzeihliche getan und den Mann gesehen, ihn und hinter ihm den Unterstand, die Matratzen, den Tisch, an dem die beiden anderen ihren Rausch ausschliefen. Der Holzfäller war zu mir zurückgekommen, und ich hatte ihn hintergangen. Ich drehte mich um und pappte die Pflaster wieder fest. Wie ein Kind, das man mit den Fingern im Marmeladentopf erwischt hat, beteuerte ich: ›Ich hatte die Augen zu! Ich hab nichts gesehen, ehrlich nicht. Bitte, bitte verzeihen Sie mir.‹ ›Contessa Brunamonti?‹ Aber da hatte ich schon gerochen, daß er es nicht war.
    »Er ist entkommen…« Es war eine Frage, auch wenn sie versuchte, sie wie eine Feststellung klingen zu lassen.
    »Ja, er ist uns entwischt. Er steckt immer noch dort oben, zusammen mit Puddu.«
    »Puddu?«
    »Der, den Sie den Boss nennen.«
    »Den habe ich nie gesehen.«
    »Nein, das hätte er um jeden Preis verhindert. Das wissen wir, und Sie, Sie haben nichts zu befürchten.«
    »Ich habe keinen von ihnen je ohne Maske gesehen.«
    »Nein.«
    »Der Mann heute früh, das war einer von Ihren Leuten?«
    »Ja.«
    Sie schien erleichtert. Vielleicht traute sie jetzt, da sie wieder sehen und hören konnte, ihrem Geruchssinn nicht mehr so unbedingt. Nach ein paar Tagen Krankenhausaufenthalt würde die Zivilisation vollends wieder von ihr Besitz ergreifen, und was sie dann aussagte, würde von einer falschen Perspektive her erzählt sein, gefiltert durch die Erwartungshaltung der anderen. Trotzdem verschonte der Maresciallo sie mit Fragen.
    »Jetzt ist mir warm«, sagte sie. »Danke für die Dekken… Der Trainingsanzug, den ich da anhabe, wem gehört der?«
    »Den hat uns Binis Frau geliehen. Bini, das ist der Maresciallo hier im Dorf. Erinnern Sie sich nicht? Als wir ankamen, waren wir als erstes in seiner Wohnung, seine Frau hat Ihnen aus den nassen Kleidern geholfen.«
    »Nein, daran erinnere ich mich nicht…« Weil sie sich in einem Spiegel gesehen hatte, eine hohlwangige Frau mit starrem Blick und zottig verfilzten, grauen Haaren, sie, die man vor wenigen Monaten noch mit der eigenen Tochter verwechselt hatte. Sie war vor dem Spiegel ohnmächtig geworden. »Wollen Sie ihr in meinem Namen danken, ja?… Was ist denn das für ein Lärm?«
    »Die Sirene? Das wird mein Capitano sein. Er und der zuständige Staatsanwalt werden Ihnen gleich ein paar Fragen stellen müssen, denn später werden Sie das eine oder andere vergessen haben. Alles, was ich bereits von Ihnen weiß, werde ich für Sie weiterleiten. Anschließend bringen wir Sie dann ins Krankenhaus. Fühlen Sie sich einigermaßen? Brauchen Sie irgend etwas?«
    »Ich müßte mal zur Toilette.«
    »Natürlich. Können Sie noch einen kleinen Moment warten? Auf diesem Revier arbeiten nur Männer, wissen Sie, und Bini wird sicher erst einmal nach dem Rechten sehen wollen.«
    »Was könnte mich jetzt noch schockieren…« Aber der Maresciallo war schon aufgestanden und verließ den kleinen Amtsraum. Bini machte sich draußen bereit, Maestrangelo und Fusarri zu empfangen.
    »Bini, sie muß mal aufs Klo.«
    »Gleich gegenüber.«
    Es goß wieder in Strömen, und als der Maresciallo die Tür zum Waschraum aufstieß, trommelte der Regen gegen die Fensterluke, durch die nur ein schwiemelig trüber Dämmerschein fiel.
    »Da ist der Lichtschalter«, sagte Bini noch. Dann sah er verdutzt, wie der Maresciallo sich nach der Decke reckte und die Glühbirne aus der Fassung schraubte.
    12
    Rom. Vor dem Palazzo Chigi gelang es unserem Reporter, den Justizminister zu einem

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