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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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garantiert mich. Ich bin für Sie verantwortlich.‹ ›Und wann?‹ ›Wahrscheinlich übermorgen.‹ ›Nehmen Sie mir vorher die Pflaster ab und die Stöpsel aus den Ohren, damit ich Sie sehen und mich richtig von Ihnen verabschieden kann?‹ ›Nein.‹ ›Haben Sie nicht den Mut, es zu tun, wenn ich Sie sehen kann?‹ Mir fiel ein, daß er mich fast jedesmal, wenn die Augenbinde ab war, Signora nannte. Statt zu antworten, sagte er nur barsch: ›Legen Sie sich in den Schlafsack, ich hab noch viel Arbeit.‹ Ich zog den Reißverschluß hoch, so weit es ging, und dann tat er etwas, was noch nie vorgekommen war. Er nahm meinen angeketteten Arm, schob ihn behutsam in den Schlafsack und zog den Reißverschluß zu bis oben hin.
    ›Es regnet immer noch. Das wird eine kalte Nacht.‹ Ich spürte seinen Atem an der Wange, als er sprach.
    ›Warum tue ich Ihnen leid? Weil ich sterben muß, ist das der Grund?‹ ›Nein. Und denken Sie nicht zuviel an das, was die in der Zeitung schreiben. Die verdrehen oft die Tatsachen. Uns ist es sowieso egal. Entweder die zahlen, oder Sie müssen sterben. Trotzdem, glauben Sie nicht alles, was in dem Artikel stand.‹ Ich tat ihm leid, weil meine Kinder mich nicht wiederhaben wollten. Ich hörte ihn rückwärts aus dem Zelt robben und hätte ihn am liebsten angefleht, bei mir zu bleiben, so sehr sehnte ich mich nach seiner tröstlichen Berührung. Ich spürte noch immer seinen Atem auf meiner Wange, seinen Atem, der so lieblich nach Holz duftete. Er würde mich töten, und ich, ich begehrte ihn. Mehr, als ich jemals einen Mann begehrt habe. Dieses Verlangen durchzuckte mich wie ein qualvoller Schmerz. Tut mir leid, wenn ich Sie schockiere.«
    »Nein, nein… Machen Sie sich deshalb keine Gedanken… eine ganz natürliche Reaktion.«
    »Meinen Sie? Mein Trostbedürfnis kam mir auch noch natürlich vor, aber dieses Verlangen, das hat mich schokkiert. Vielleicht war es ja nur ein Abwehrmechanismus gegen den nahen Tod… wie auch immer, jetzt brauche ich das nicht mehr zu analysieren, nicht wahr?
    Ich schlief in dieser Nacht nicht schlechter als sonst, und als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich seine Worte noch im Ohr. Wie konnte ich aufgrund eines Zeitungsartikels den Glauben an meine geliebten Kinder verlieren? Womöglich konnten sie das Ultimatum nur deshalb nicht einhalten, weil es da so ein Gesetz gibt, das Lösegeldzahlungen verbietet, ist es nicht so?«
    »Stimmt, das Gesetz gibt es, ja.«
    »Sehn Sie, wußt ich’s doch! Und dann hätten ja auch die Banken Schwierigkeiten machen können… und der Artikel, der konnte von Ihnen lanciert worden sein… im Interesse Ihrer Ermittlungen. Schließlich haben Sie mich ja gerettet, und dazu brauchten Sie einen Plan, und den hätte die Lösegeldübergabe vereiteln können, also baten Sie Leo, sich kooperativ zu verhalten…«
    »Richtig. Ich habe ihn persönlich darum gebeten… diese Dinge sind sehr kompliziert. Aber nun sind Sie in Sicherheit, und das allein zählt. Über den Rest sollen andere sich den Kopf zerbrechen.«
    »Dann hatte der Holzfäller also recht! Es konnte ja auch nicht wahr sein. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja… die anderen quälten mich weiter, wohl aus Wut darüber, daß ihnen das Lösegeld entging, aber da ich ohnehin sterben mußte, konnten sie mir keine Angst mehr machen, und ich hatte Holzfällers Versprechen, daß er mich töten würde. Den Tod an sich fürchtete ich nicht mehr, alles, worauf es mir ankam, war, in dem Bewußtsein zu sterben, daß ich von den Menschen, die mir am liebsten waren, wiedergeliebt wurde. Und ich fing an, mich auf das Sterben vorzubereiten. Ich fragte den Holzfäller, ob er mich auch beerdigen würde. Nein, sagte er, es dürfte keine Spur von dem Lager übrigbleiben, ein Grab käme nicht in Frage. Mehr sagte er nicht, und ich drang nicht weiter in ihn. Ich kannte die Geschichte von den Wildschweinen in den Bergen, die alle Spuren vertilgen.
    Es würde also kein Begräbnis geben, niemand würde meinen Leichnam waschen und ihn aus der Welt geleiten, wie es Brauch ist. Also beschloß ich, es selber zu tun. Ich hatte in den vergangenen Wochen soviel über mein Leben nachgedacht, nur nicht über den Körper, der mir all die Jahre so treu gedient hatte. An meinem letzten Tag überredete ich den Holzfäller, mir eine Schüssel des kostbaren Wassers ins Zelt zu bringen, und bat ihn auch um einen Kamm. Ich glaube, er verstand mich und sorgte dafür, daß der Metzger, der mit ihm

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