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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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–, wie hieß sie doch gleich wieder? Er hatte vergessen nachzusehen. Es sah ganz so aus, als wolle sie ihm die Tür versperren, und ihr Gesicht war schreckensbleich. Hinter ihr ragten gerade einmal die Beine des Bruders, in eine karierte Decke gehüllt, über den Rand eines weißen Sofas. Der Maresciallo bedeutete der jungen Frau mit einer abwehrenden Geste, daß er sie nicht verraten werde. Als sie trotzdem nicht aus seinem Blickfeld wich, kam ihm der Gedanke, daß sie womöglich ihren Bruder vor ihm verstecken wollte und nicht umgekehrt.
    »Signorina…« Er war bereit, so zu tun, als wären sie einander nie begegnet, aber abwimmeln lassen würde er sich nicht. »Verzeihen Sie, daß ich so unangemeldet hier eindringe, aber ich muß Signor Brunamonti sprechen, Leonardo Brunamonti.« Als auch das nichts half, schob er sich kurzerhand an ihr vorbei und sah, wie der junge Mann auf dem weißen Sofa das Plaid abstreifte und sich langsam aufrichtete. Neben ihm auf dem Boden lag eine Fliegerjacke, und der Maresciallo hatte das sichere Gefühl, daß die dort gelegen hatte, seit er in jener verhängnisvollen Nacht ins Haus zurückgekommen war. Ja, da lugte doch tatsächlich die Schlaufe einer Hundeleine aus der Tasche!
    Der junge Mann sah zum Fürchten aus. Man konnte sich natürlich vorstellen, daß er nicht geschlafen hatte, daß er außer sich war vor Verzweiflung, aber dieser grünlich fahle Teint, die spröde Haut, die dunklen Augenringe, die schweren Lider, die er anscheinend kaum noch offenhalten konnte! Und wirklich ließ er nach einem matten Versuch, den Maresciallo anzusehen, den Kopf in die Hände sinken und flüsterte: »Die Läden…«
    In dem langgestreckten Zimmer standen nur die Innenflügel eines einzigen Fensterladens offen. Das Mädchen ging und schloß auch die bis auf einen winzigen Spalt, der gerade soviel Licht hereinließ, daß man einander noch erkennen konnte. Auch dazu hätte es freilich nicht gereicht, wäre der Raum nicht fast ausschließlich in Weiß gehalten gewesen. Den Maresciallo befremdete dieses monochrome Weiß, doch ihm blieb keine Zeit, sich darüber zu wundern. Mit ein paar Schritten stand er vor dem Sofa. Leonardo hatte offenbar ganz die Statur seiner Schwester, war groß und schlank wie sie. Er blinzelte zwischen den Fingern zu dem Besucher auf und flüsterte so ausdruckslos, als ob ihn jede Lippenbewegung schmerzen würde: »Was wollen Sie hier? Wer…?«
    Das war auf keinen Fall nur die Schockreaktion. Die Frau unten hatte ja schon gesagt, daß es dem jungen Brunamonti nicht gut ginge, aber sein Anblick ließ den Maresciallo sofort an Entzugserscheinungen denken.
    »Sie haben sich seit zehn Tagen nicht vom Telefon weggerührt?«
    Keine Antwort. Er ließ nur den Kopf noch tiefer hängen und preßte die Finger an die Schläfen, wie um seinen Schädel am Bersten zu hindern. Und seine Stimme kam scheinbar aus einer anderen Welt.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Von einem Informanten. Aber Sie sollten sich darüber jetzt keine Gedanken machen. Und Sie brauchen vor allem nicht zu befürchten, daß wir irgend etwas unternehmen werden, was das Leben Ihrer Mutter gefährden könnte.«
    Das Telefon klingelte, und Leonardo hätte fast aufgeschrien, bevor er mit fliegender Hand nach dem Hörer griff.
    »Patrick… ich kann nicht…«
    Seine Schwester nahm ihm den Hörer aus der Hand.
    »Patrick? Du kannst nicht mit ihm sprechen, er ist zu angegriffen. Ja, ich weiß, das habe ich ihm auch gesagt. Ich kann den Telefondienst genausogut übernehmen. Patrick, hör zu, die Carabinieri sind dahintergekommen… weiß ich nicht… durch einen Informanten oder so. Es ist gerade jemand bei uns. Ich bin dafür, daß du die Detektei verständigst und alles rückgängig machst. Sie ist meine Mutter, Patrick, und Leo ist nicht in der Verfassung… Wann? Gut, ich hole dich vom Flughafen ab. Doch, ich komme hin!« Damit legte sie auf. Ihr Bruder lehnte sich zurück und hielt sich mit gespreizten Fingern einen Zipfel der Decke vors Gesicht.
    Der Maresciallo wies auf eine Innentür. »Könnten wir uns…?« Fast auf Zehnspitzen tappte er hinter ihr her. Was immer die Ursache dafür sein mochte, das Leiden des jungen Mannes lastete fühlbar schwer auf dem abgedunkelten weißen Raum, der wohl tagelang nicht mehr gelüftet worden war.
    »Wir gehen in mein Zimmer. Dort sind wir ungestört.«
    Der Raum, in den sie ihn führte, schien ihm erstaunlich geräumig für eine einzelne Person. Aber womöglich hatte so ein

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