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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Palazzo nur Schlafzimmer in dieser Größe. Selbst das wuchtige, geschnitzte Bett wirkte in dem weitläufigen Raum ganz verloren. Gegenüber vom Eingang führten zwei breite Stufen hinauf zu einem hohen Fenster, dessen hellschimmernde Vorhänge vor den Innenläden gerafft waren.
    »Setzen wir uns hierher.« Sie nahm kerzengerade in dem runden Ledersessel vor einem langgestreckten Eichenschreibtisch Platz. Sie war wohl ein bißchen aufgeregt, denn diesmal konnte sie die Hände in ihrem Schoß nicht ruhig halten, sondern drehte beim Sprechen unentwegt an ihrem Brillantring.
    »Bitte, setzen Sie sich doch. Ich glaube nicht, daß er mich in Verdacht hat, was meinen Sie?«
    »Nein, ganz bestimmt nicht.« Der Sessel mit der hohen, geschnitzten Rückenlehne, den sie ihm anbot, kam dem Maresciallo vor wie ein Thron. »Er ist gar nicht in der Verfassung, solche Überlegungen anzustellen. Und ich hatte den Eindruck, er ist ernstlich krank.«
    »Ach, das ist nichts. Ich meine, er ist nicht krank im üblichen Sinne. Mein Bruder leidet an Migräne. Die Anfälle sind immer die Folge besonderer Streßsituationen. Er ist dann furchtbar lichtund geräuschempfindlich und überhaupt nicht ansprechbar. Aber ich kann Ihre Fragen genausogut beantworten.«
    Kein Wort der Entschuldigung dafür, daß sie so einfach aus seinem Büro verschwunden war, als er sie gebeten hatte, im Vorzimmer zu warten. Vielleicht hatte sie ihn ja mißverstanden. Außerdem mußte man berücksichtigen, daß sie, wenngleich nicht in so desolatem Zustand wie ihr Bruder, gewiß ebenso betroffen sein mußte wie er. Zweifellos besaß sie von beiden das stärkere Naturell. Jedenfalls hatte sie sich besser im Griff.
    »Aber es gibt doch bestimmt Medikamente, die Ihrem Bruder helfen könnten?«
    »Schon, aber das sind sehr starke schmerzstillende Mittel. Nach so einer Injektion ist er jedesmal für circa fünfzehn Stunden hinüber. Deshalb läßt er diesmal keinen Arzt an sich heran. Er will unbedingt wach bleiben, für den Fall, daß ein Anruf kommt. Was einfach lächerlich ist, wo ich doch da bin.«
    »Ja, gewiß. Aber reden Sie ihm noch einmal gut zu. Es ist nämlich ganz sinnlos, daß einer von Ihnen ständig neben dem Telefon sitzt. Hier wird niemand Kontakt mit Ihnen aufnehmen, weil man Ihr Telefon abhört.«
    »Die haben unsere Leitung angezapft? So schnell?« Unablässig kreisten die Brillanten und blitzten so hell wie die fiebrigen Augen der Signorina.
    »Bis heute abend, denke ich, steht die Fangschaltung.
    Doch die Entführer müssen damit rechnen, daß sie schon vor Tagen eingerichtet wurde…. Das ist aber eine sehr elegante Schreibtischgarnitur. Hat die Ihrem Herrn Vater gehört?«
    »Ja, und er hat sie von meinem Großvater geerbt. Papa hat sie an mich weitergegeben. Eigentlich hätte man ja erwartet, daß er sie Leonardo hinterlassen würde, aber ich war eben sein ganz besonderer Liebling. Übrigens stammt die ganze Einrichtung hier von meinem Vater. Das war sein Zimmer.«
    Der Maresciallo konnte sich gut vorstellen, daß die Ehefrau nach allem, was dieser Mann ihr zugemutet hatte, keinen Wert darauf legte, sein Zimmer zu übernehmen, aber die Tochter besaß eben, laut Giorgio, sehr viel Familiensinn. Jetzt wußte er auch, warum ihm der weiße Salon so merkwürdig vorgekommen war: Ein Zimmer in einem Renaissancepalast stellte man sich vor wie dieses hier, stilvoll, mit antiken Möbeln. Der Wohnraum draußen wirkte mit seinen klaren, schnörkellosen Linien sehr modern. Sicher hatte die Contessa, um sich und ihre beiden Kinder durchzubringen, seinerzeit notgedrungen auch Möbel aus Familienbesitz verkaufen müssen. Und danach hatte es gewiß noch sehr lange gedauert, bis die arme Frau sich diesen ganzen weißen Chic leisten konnte.
    »Signorina, die Leute, die Ihre Mutter in ihrer Gewalt haben, werden sich am ehesten durch eine schriftliche Mitteilung der Contessa mit Ihnen und Ihrem Bruder in Verbindung setzen. Das heißt, zusenden wird man Ihnen diese Nachricht wahrscheinlich nicht direkt, sondern über einen engen Freund der Familie… Dieser Amerikaner… Patrick ,..?«
    »Hines. Er kommt morgen abend aus London zurück. Ich hole ihn am Flughafen ab.«
    »Ja, aber würde er normalerweise um diese Zeit in Florenz sein? Kann Ihre Mutter wissen, daß er hier ist?«
    »Nein. Er hätte die Vorführung in Mailand diesmal ausgelassen, weil es für die New Yorker Modewoche noch soviel vorzubereiten gibt.«
    »Dann wird sie auch nicht an ihn schreiben. Wer ist

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