Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
Madonna anfertigen lassen. Mein Vater hat sie in dem Dossier gesehen. Es kann keinen Zweifel geben, dass die Ikone in Ihrem Besitz dieselbe ist, die der Mönch in der Höhle mit dem Knochenaltar gesehen hat.«
» Mag sein«, sagte Zoe. Wie Ry bemerkte, hatte sie die Hand nicht aus der Tasche genommen, nachdem sie die Ikone weggesteckt hatte, und er wusste, sie hatte sie um den Griff ihrer Glock geschlossen.
» Und was ist aus Ihrem Vater geworden, Professor?«, fragte Ry. » Nach jenem Tag in der Fontanka 16?«
» Was? Ach so, es gab noch mehr Papiere in dem Dossier, aber mein Vater kam nie dazu, sie zu lesen, denn Popow schlug plötzlich die Tür zu seinem Schrank zu, steckte sich eine dünne Mappe in den Uniformrock und sagte: ›Wir sind fertig hier.‹ Dann sah er, dass mein Vater etwas vor ihm zu verbergen versuchte, und sagte: ›Was haben Sie da? Geben Sie es her.‹«
Kuzmin betrachtete sein leeres Glas. » Mein Vater gab es ihm natürlich. Was blieb ihm anderes übrig? Und so verließ Oberleutnant Nikolai Popow die Fontanka 16 an diesem Tag mit zwei Dossiers, und eins davon hatte mit einem Altar aus Menschenknochen zu tun.«
Und wahnsinnig viel hat es ihm genützt, dachte Ry. All die Jahre, die er nach dem Ding gesucht und für es getötet hat.
» Haben die beiden nie mehr darüber gesprochen?«, fragte Zoe. » Popow und Ihr Vater?«
Der Professor stieß ein bitteres Lachen aus. » Wohl kaum. Zwei Tage später wurde aus Oberleutnant Popow Hauptmann Popow, und mein Vater wurde von der GUGB zu einer regulären Armeeeinheit versetzt. Zu einer, die mit Sicherheit in die vorderste Linie geschickt wurde, wenn der Krieg kam, den alle fürchteten. Er konnte von Glück sagen, dass ihm nichts Schlimmeres…«
Kuzmin schnippte mit den Fingern, als wäre ihm plötzlich etwas eingefallen. » Mein Vater hat aus dem Gedächtnis eine Kopie der beiden Skizzen gezeichnet, die er an diesem Tag gesehen hat. Wollen Sie einen Blick darauf werfen?«
Er wartete auf keine Antwort, sondern ging zu einem Schubladenschrank, holte einen Schlüssel aus seiner Tasche und öffnete ihn. Er wühlte mit dem Rücken zu Ry und Zoe darin herum, und als er sich wieder umdrehte, hatte er einen kleinen Revolver mit kurzem Lauf in der Hand.
Er überraschte Ry, indem er laut auflachte, als er die beiden Glocks auf sich gerichtet sah.
» Unsere sind größer«, sagte Ry.
» Und es sind zwei«, sagte Zoe.
Kuzmin lachte wieder, dann zuckte er mit den Achseln. » Tja, ich musste es einfach versuchen. Sie sind wohl nicht bereit, die Ikone zu verkaufen?… Nein, das dachte ich mir. Ihre Großmutter vielleicht…«
» Sie ist tot«, sagte Zoe.
» Ach so, ja, natürlich. Wie wären Sie sonst die Hüterin geworden? Trotzdem glaube ich, dass sie gestorben ist, ohne Ihnen viel erzählt zu haben. Ich glaube, Sie wussten noch weniger als ich, als Sie hierherkamen. Und ich habe Ihnen etwas erzählt, aber nicht alles.«
Er machte einen Schritt auf sie zu, aber Ry stoppte ihn mit einem Blick.
» Wir könnten Partner werden«, sagte Kuzmin, und seine Augen glänzten feucht und blass wie Spucke. » Wir könnten zusammen nach Sibirien fahren. Wir könnten das Zaubervolk suchen, und sie werden beim ersten Blick auf Sie wissen, dass Sie die Hüterin sind. Sie werden uns zu dem See führen, zu der geheimen Höhle. Mein Gott, ein Jungbrunnen! Überlegen Sie doch, was wir damit anfangen könnten. Nicht nur würden wir selbst unsterblich sein, wir würden unermesslich reich werden, indem wir ihn an Leute verkaufen, die…«
Ein Stakkato von Schüssen drang plötzlich vom Garten herein. Blumentöpfe zersprangen, das Glas der Terrassentür barst. Auf Kuzmins altem Pullover erschienen drei rote Blüten, und ein feiner roter Sprühnebel lag in der Luft, als die Kugeln seine Brust durchschlugen.
Einen Sekundenbruchteil später sah Ry eine Granate durch die zerbrochene Terrassentür segeln und am anderen Ende des dicken Orientteppichs landen.
Er hörte ein scharfes Pfft und warf sich auf Zoe. Sie rollten vom Sofa auf den Boden, und im selben Moment explodierte die Granate.
41
Dichter, beißender weißer Rauch quoll ringsum auf. Rys Augen und seine Kehle brannten, er bekam keine Luft. Dann endlich begriff er.
Das ist Tränengas.
Zoe hustete und würgte unter ihm. Er rollte von ihr, richtete sich auf die Knie auf. In einer Hand hatte er noch seine Waffe, mit der anderen zog er Zoe ebenfalls in die Höhe. Er sah, wie sich ihr Mund zu einem Schrei öffnete,
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