Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
Verletzung hatte, die blutete, flehte die Zarin Rasputin an zu kommen und ihren Sohn zu retten, und genau das tat er. Wie er das machte, weiß man nicht. Manche sagen, er hat den Jungen hypnotisiert, andere behaupten, er hat Blutegel benutzt, während wieder andere glaubten, dass es durch Zauberei oder Gebet geschah.«
Kuzmin sah auf das Foto, dann schaute er zu Iwan dem Schrecklichen hinauf, der seinen Sohn ermordete, als wären die beiden Männer, zwischen denen Jahrhunderte lagen, in irgendeiner Weise miteinander verbunden. Der verrückte Mönch, der verrückte Zar.
» Womit wir wieder bei der Unterhaltung in der Schenke wären«, sagte Kuzmin. » Rasputin hat dem Ochrana-Spion erzählt, dass er als junger Mann bei einer Wallfahrt über die Halbinsel Taimyr in Sibirien eine junge Frau getroffen und verführt habe, die einem Nomadenstamm namens Toapotror angehörte. Die Zauberleute.«
Ry sah Zoe an. Er hätte gern gewusst, was sie dachte, aber ihr Gesicht war jetzt verschlossen, auch für ihn. Sie saß so vollkommen still, dass er glaubte, jeden einzelnen Atemzug von ihr zählen zu können.
» Eines Nachts, nachdem sie sich geliebt hatten«, fuhr Kuzmin fort, » verriet die Frau Rasputin ein dunkles Geheimnis. Dass sie die Beschützerin– die Hüterin, nannte sie sich– eines Zauberaltars sei. Eines Altars aus Knochen. Und dass es ihn unsterblich machen würde, wenn er von diesem Altar tränke.«
Okay, jetzt geraten wir ins Reich der fantastischen Spinnereien. Der Knochenaltar war ein Jungbrunnen, und wenn man davon trank, lebte man ewig. Eigentlich müsste er lachen, dachte Ry, aber die Haare an seinen Armen stellten sich auf, und es lief ihm kalt über den Rücken. Er sah, dass alles Blut aus Zoes Gesicht gewichen war.
» Sie sehen skeptisch aus, Mr. Carpenter«, sagte Kuzmin, der sich offenbar über die Reaktion der beiden freute. » Unsterblichkeit? Ewiges Leben? Unmöglich, sagen Sie. Aber Rasputin hat in allen schauerlichen Details beschrieben, wie er die Frau mit List und Tücke bearbeitet hat, bis sie ihn eines Nachts zu einer Höhle führte, deren Eingang hinter einem Wasserfall am Ufer eines vergessenen Sees versteckt lag, und in dieser Höhle war ein Altar aus Menschenknochen. Rasputin behauptete, in dieser Nacht von dem Altar getrunken zu haben. Und er selbst zumindest hielt sich für unsterblich.
Mehr noch, er brachte ein Fläschchen des Elixiers mit, oder wie man es nennen will. Er sagte, er müsse jedoch vorsichtig damit sein, denn wenn es dem Sonnenlicht ausgesetzt werde, gingen seine magischen Eigenschaften verloren. Dieses Mittel benutzte er, um die Bluterkrankheit des Zarensohns zu behandeln.«
» Und doch waren sie beide, der Junge und der verrückte Mönch, wenige Jahre nach dieser Nacht in der Schenke tot«, sagte Ry. » So viel zu dem Knochensaft und dem ewigen Leben.«
Kuzmin reckte den Zeigefinger in die Höhe. » Ah, sehen Sie, aber genau das ist der Punkt. Denn es hat Rasputin tatsächlich fast unsterblich gemacht. Nicht lange nach jener Nacht in der Schenke fasste eine Gruppe von Adligen, denen sein Einfluss auf die Zarin zu groß wurde, den Plan, ihn zu töten. Sie gaben ihm mit Zyanid versetzte Törtchen zu essen, und als das keine Wirkung zu haben schien, leerten sie einen Revolver in seinen Rücken, und als auch das nicht reichte, schlugen sie ihm mit einem Knüppel auf den Kopf, wickelten ihn in ein Laken und warfen ihn in einen vereisten Fluss. Vier Tage später fand man seine Leiche, die Hände gefroren wie Klauen, als hätte er versucht, sich unter dem Eis zu befreien. Eine Autopsie ergab, dass er nicht ertrunken oder an der Schussverletzung oder dem Gift gestorben war, sondern schlicht an Unterkühlung.«
» Trotzdem, tot ist tot«, sagte Zoe, und Ry hörte die Wut und Enttäuschung in ihrer Stimme. Ihm ging es ebenso. Sie hatten gedacht, sie seien kurz davor, endlich die Wahrheit zu erfahren, und stattdessen hatte man ihnen ein Märchen aufgetischt.
» Irgendwer nimmt hier wen auf die Schippe«, sagte sie, » und da ich Gast in Ihrem Haus bin, werde ich der Höflichkeit halber annehmen, dass es der verrückte Mönch war, der einen leichtgläubigen Spion des Zaren gefoppt hat. Bei uns zu Hause nennen wir so etwas verarschen, Professor.«
Kuzmin lachte. » Vielleicht haben Sie recht, Mrs. Carpenter. Vielleicht wurde der Spion ›verarscht‹, wie Sie sagen. Aber die Ochrana nahm es ernst genug, um weitere Agenten nach Sibirien zu schicken. Sie fanden weder den See
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