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Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)

Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)

Titel: Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Carter
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fünfundsiebzig, und wenn man ihn ansah, sah man einen stattlichen, stämmigen Mann voller Energie und Lebenslust; zumindest war es bis gestern so gewesen.
    Gestern Morgen war Michael O’Malley im Morgengrauen aufgestanden, hatte seinen täglichen Power-Walk am Strand gemacht und ein Frühstück aus Getreideflocken und Joghurt zu sich genommen. Dann stand er auf, um das Geschirr zur Spüle zu tragen, und wurde von einem massiven Herzinfarkt niedergestreckt. Auf dem Weg ins Krankenhaus hatte Dom seinen Bruder angerufen und eine Nachricht auf dessen Handy hinterlassen, dann hatte er noch einmal angerufen, nachdem die Ärzte ihre Prognose abgegeben hatten– das Herz ihres Vaters war hoffnungslos geschädigt. Es würde noch eine kleine Weile schlagen, aber bald würde es stehen bleiben. Einfach stehen bleiben.
    Während die Stunden vergingen und der Alte immer schwächer wurde, versuchte Dom weiter, seinen Bruder zu erreichen, und kam immer nur an die verdammte Mailbox. Ry war nicht nur nicht auf dem Weg nach Galveston, Gott allein wusste, wann sie überhaupt etwas von ihm hören würden. Er war dafür bekannt, dass er für Wochen oder gar Monate am Stück wie vom Erdboden verschluckt zu sein schien.
    Dom berührte die Hand seines Vaters, die wächsern und bereits wie tot aussah auf dem weißen Krankenhausleinen. » Warum versuchst du inzwischen nicht, ein wenig zu schlafen? Wir können uns später unterhalten, wenn Ry hier ist.« Oder auch nicht.
    Er sah die Lippen seines Vaters in plötzlichem Schmerz zucken. » Dad? Alles in Ordnung?«
    Er streckte die Hand nach der Morphiuminfusion aus, aber der alte Mann stoppte ihn. » Nein, nicht. Mit dem Zeug fällt mir das Denken schwer, und uns läuft die Zeit davon. Ich weiß, ich sagte, dass ich beichten möchte, aber das war eine schlechte Wortwahl. Ich habe keine Verwendung für einen Priester, und falls das deine zarten Gefühle verletzt– Pech.«
    Es schmerzte tatsächlich, aber Dom brachte es fertig, sich nichts anmerken zu lassen. » Dann sprich zu mir als deinem Sohn. Oder noch besser wie zu einem ebenbürtigen Mitmenschen. Das wäre mal eine nette Abwechslung.«
    Der Alte lächelte ihn verzerrt an. » Du lebst mit dieser Sache, die du Gott nennst, Dom. Du predigst Güte, die andere Wange hinhalten und diesen ganzen Quatsch, und deshalb glaubst du, du weißt Bescheid über das Böse. Aber du hast keine Ahnung. Nicht von dem Bösen, das ich meine. Das reine, niedrige, schmutzige Böse, das keine Regeln kennt und vor nichts haltmacht…«
    Der Alte brach ab und blickte zur Seite. Seine Augen verdüsterten sich, und Dom fragte sich, was sie sahen. Michael O’Malley hatte spät geheiratet, mit einundvierzig, und ein großer Teil seines Lebens davor war für seine Frau und die Söhne immer ein unbeschriebenes Blatt gewesen. Aber was er eben angedeutet hatte– Dom wollte es nicht glauben. Du redest vom Bösen, Dad, und du könntest nie etwas Böses tun.
    Oder doch?
    Er sah einen merkwürdigen Ausdruck auf das Gesicht seines Vaters treten. Nicht Verträumtheit oder wehmütige Erinnerung, nein, dafür war er zu intensiv.
    » Ihr Name war Katja, Katja Orlowa, und von Anfang an umgab sie etwas Besonderes. In jener Zeit gab es in Hollywood mehr hübsche Blondinen als Palmen, aber Katja… Sie hatte dieses Leuchten an sich, als wäre die Sonne in ihr und würde durch die Poren ihrer Haut scheinen. Und habe ich dir schon erzählt, dass sie die tollsten Augen hatte? Dunkelgrau, wie Gewitterwolken.«
    Die Gedanken des Alten schienen abzuschweifen, aber Dom war klar, worauf es hinauslief: eine andere Frau. Er hätte es sich denken können. Da er seine Ohren nicht verschließen konnte, schloss er die Augen und sah das Gesicht seiner Mutter. Die Sprenkel ihrer Sommersprossen um Nase und Wangenknochen, die Grübchen, wenn sie lächelte, und sie lächelte viel, selbst ganz am Ende, als der Brustkrebs sie schließlich besiegte.
    » Herrgott noch mal, Dom, schau nicht, als würde ich dir das Herz brechen. Katja Orlowa war nur ein Mittel zum Zweck. Ich habe sie nie geliebt, nicht wie ich deine Mutter geliebt habe.«
    Dom unterdrückte seine Tränen, wütender auf sich selbst als auf seinen Vater. Warum lasse ich ihn immer so an mich heran? » Wer war sie dann?«
    Aber sein Vater sagte nichts mehr. Die wässrigen blauen Augen wirkten jetzt verloren, sie starrten über das Fußende des Betts hinaus auf die mintgrüne Wand, die leer war bis auf eine schwarz emaillierte, schlichte Uhr.
    »

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