Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
Dad?«
» Ich habe dieser Uhr zugesehen«, sagte der Alte schließlich. » Jedes Mal, wenn eine Minute vergangen ist, macht der lange Zeiger diesen kleinen Satz von einer Markierung zur nächsten. Manchmal zittert er, bevor er sich bewegt, als wäre er sich nicht ganz sicher, dass er da hinwill, aber er geht trotzdem. Und es gibt dieses leise Klicken, als würde die Uhr eine weitere Minute der Ewigkeit abhaken, und ich habe gedacht, dass diese Uhr ihren kleinen Tanz sehr bald aufführen wird, ohne dass ich… Ich werde zu tot sein, um es zu sehen.«
Er sah seinen Sohn an. » All deine Rituale und Sakramente– wofür glaubst du, sind die in Wirklichkeit da? Am Ende sind wir alle gleich. Wir fürchten uns alle vor dieser langen, dunklen Nacht, und deshalb halten wir die eine Sache heilig, von der wir glauben, dass sie uns retten kann.«
Dom schüttelte den Kopf. » Was willst du mir sagen? Dass du geglaubt hast, diese Katja Orlowa könnte irgendwie deine Seele retten?«
Der schmale Mund öffnete sich zu einem Seufzer. » Dass sie mir mehr Zeit schenken könnte…«
Dom beugte sich tiefer über ihn. » Zeit wofür?«
Der alte Mann wurde von einem weiteren heftigen Hustenanfall geschüttelt, der ihm Kraft raubte, und bis auf das Zischen und Piepen der Geräte war es still im Raum.
Dom dachte, sein Vater würde nicht weitersprechen, aber dann sagte er: » Nein, nicht meine Seele, und es spielt jetzt keine Rolle mehr. Vielleicht hat es nie eine gespielt, denn ein Herzinfarkt aus heiterem Himmel oder eine Kugel hinters Ohr aus einer 22er– und peng! Du bist so oder so toter als ein Türnagel.«
Eine Kugel hinters Ohr aus einer 22er? Eine solche Sprache war für den Mann, den er kannte, so untypisch, dass Dom dachte, es musste an den Schmerzmitteln liegen, die seinen Verstand verwirrten.
Einen Augenblick später war er sogar überzeugt davon, als sein Vater versuchte, sich am Bettgitter hochzuziehen, und wild umherblickte. » Zeit… die Zeit läuft uns davon, Dom. Sie werden sich euch Jungs kaufen, wenn ich tot bin, weil sie glauben, dass sie dann nichts mehr riskieren. Ihr werdet lose Fäden für sie sein, einfach weil ihr meine Söhne seid. Und lose Fäden schneidet man ab.«
Er sank keuchend zurück. » Sie haben wahrscheinlich schon einen Mann hier im Krankenhaus, der darauf wartet, dass ich abkratze. Oder eine Frau. Eine Ärztin, die ich zuvor nie gesehen habe, ist aufgetaucht und hat an mir herumgetastet, als du vorhin unten warst, Kaffee holen. Rote Haare und zum Weinen schön, aber mir hat ihr Lächeln nicht gefallen. Sie hat das Lächeln eines Killers.«
Was wollte er ihm sagen? Dass eine Auftragskillerin hier im Krankenhaus lauerte und darauf wartete, dass Michael O’Malley starb, damit sie anschließend seine Söhne abmurksen konnte? Dom bemühte sich, nicht zur offenen Zimmertür herumzufahren, tat es trotzdem und kam sich wie ein Idiot vor. Niemand war da.
» Wer bedroht uns? Die Mafia? Das kolumbianische Drogenkartell?« Wer machte eigentlich so etwas?
Ein schauriges Lachen entrang sich der Kehle des Alten. » Meine Partner im Verbrechen.«
In Doms Kehle schien plötzlich etwas festzustecken. Er musste zweimal schlucken, ehe er ein Wort herausbrachte. » Willst du mir weismachen, du warst in einem vergangenen Leben eine Art Verbrecher? Ich glaube es dir nicht.«
» Ha. Und das sagt ein Mann, der kein Problem hat, sich mit der Vorstellung einer jungfräulichen Geburt anzufreunden.«
Die Augenlider des Alten flatterten, aber dann riss er sich mit purer Willenskraft zurück. » Du und Ry, ihr müsst sie finden«, sagte er mit schwacher, rauer Stimme. » Findet Katja und holt ihn euch zurück.«
» Was zurückholen, Dad? Tut mir leid, aber das ist einfach nur verrücktes Gerede…«
» Den Film. Den Film, den Katja von meinem letzten Mord gemacht hat. Dass sie dachten, ich hätte den Film, ist der einzige Grund, warum wir all die Jahre am Leben blieben.«
» Welcher Film? Welcher letzte Mord, um Himmels willen. Ich kenne dich. Du könntest niemals…«
» Verdammt noch mal, Dom, nun freunde dich endlich mit dem Gedanken an, dass ich nicht der bin, für den du mich hältst. Und nie war…« Er machte einen erstickten Atemzug und schloss die Augen.
Dom warf einen Blick auf die Monitore. Der Blutdruck seines Vaters war bei 180 zu 95, das Atmen fiel ihm inzwischen so schwer, dass er kaum noch sprechen konnte. Er schloss und öffnete die Hand, als versuchte er, Kraft aus der Luft zu
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