Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
Fieber führen, dass ihn der Arzt auf die Krankenstation ließ. Er hatte weiß Gott nicht vorgehabt, sich eine Lungenentzündung zu holen. Aber am Ende hatte es sich gelohnt, denn Lena hatte ihn zur Höhle gebracht. Sie hatte ihm den Knochenaltar gezeigt.
Der Altar– Himmel, er war echt. Alles, was er in dem Fontanka-Dossier gesehen hatte, stimmte bis ins Detail. Der See, der Wasserfall, die Höhle, der Altar aus menschlichen Knochen. Und die Hüterin. Auch sie hatte sich als echt herausgestellt.
Lena.
Er hatte gedacht, es würde schwer sein, sie in dieser eisigen Wildnis zu finden, aber sie war direkt dort im Straflager gewesen, keine zwanzig Meilen von dem See entfernt, wo sie und alle Hüterinnen vor ihr zur Welt gekommen waren. Und ihr Gesicht war das exakte Ebenbild der Zeichnung, die er von der Madonna auf der Ikone gesehen hatte. Das Dossier hatte auch in diesem Punkt gestimmt.
Er fragte sich jetzt, ob sie es zurück in die Höhle geschafft hatte, ehe die Lawine sie begrub. Und es gab ihm einen leisen Stich. Schuldgefühle? Verlust? Reue? Es tat nichts zur Sache, sie war so oder so tot. Sie würde verhungern, ehe sie sich aus der Höhle graben konnte.
Als hätte er Nikolais Gedanken gelesen, seufzte der Kommandant. » Aber zu schade um das Mädchen.«
» Ja, zu schade«, sagte Nikolai.
Nun, er hatte sie wirklich übel ausgenutzt, und es gab ihm wieder diesen Stich, es war wie ein Faustschlag auf die Brust. Er schüttelte es ab. Man tat, was zu tun war, und ging weiter.
Er blickte über den See, der wunderschön war im buttergelben arktischen Licht– ein Jammer, dass die Sonne schon in wenigen Stunden wieder unterging. Zeit genug allerdings, damit er seinen Bestimmungsort erreichte.
» Jetzt schau sich einer diesen Trottel an«, sagte der Kommandant und zeigte auf den Soldaten, der mit seiner Pisse seine Initialen in den Schnee schrieb.
» Ich sagte ja, man sollte ihn erschießen«, bemerkte Nikolai.
Der Kommandant blinzelte, und sein Lächeln verrutschte ein wenig, aber dann schlug er die Hände zusammen. » Nun denn, Genosse Hauptmann«, sagte er eine Spur zu laut, » was halten Sie von einem Schluck Wodka, bevor wir ins Lager zurückfahren?«
Der Kommandant steckte die Hand in die Manteltasche, doch ehe er sie wieder herausnehmen konnte, zog Nikolai seine Pistole und schoss dem Mann eine Kugel zwischen die Augen.
Der Schuss hallte laut über den See. Der Soldat fuhr herum, seinen Penis noch in der Hand. Er öffnete den Mund, aber sein Schrei erstarb, als die Kugel in seine Gurgel schlug.
Der Sergeant stand da wie betäubt, einen Trockenfisch in jeder Hand, während die Hunde weiter bellten und um ihn herumsprangen. Dann ließ er die Fische fallen und rannte in Richtung Schlitten. Nikolai schoss ihm zwischen die Schulterblätter, und er fiel hart aufs Eis.
Noch ehe die Schüsse in der kalten Luft ganz verhallt waren, setzte sich Nikolai in Bewegung. Nacheinander ging er zu den drei Männern und stellte mit Kopfschüssen sicher, dass sie wirklich tot waren. Dann lud er neu.
Er steckte die Waffe in den Bund seiner Hose und wandte sich dem Schlitten zu, ehe er noch einmal kehrtmachte. Er kauerte neben dem toten Kommandanten nieder, griff in die Manteltasche des Mannes und holte einen silbernen Flachmann mit eingravierten Initialen hervor.
Dann wollte er also gar keine Waffe ziehen.
Nikolai steckte das Wodkafläschchen in die eigene Tasche und stand auf. Lächelnd bestieg er den Schlitten. Der Kommandant und seine Männer hatten Nikolais Zwecken gut gedient, als sie den Schlitten hierherbrachten. Niemand, der bei Verstand war, versuchte, zu Fuß aus Sibirien zu fliehen.
Er nahm die Zügel zur Hand, doch ehe er losfuhr, sah er zurück zu dem Wasserfall, der wie eine Kaskade aus Diamanten in der Sonne funkelte.
Diamanten. Nikolai lächelte bei dem Gedanken. Denn was der Wasserfall verbarg, war wertvoller als Diamanten, wertvoller als jede angebliche Truhe voll Zarengold.
Der Knochenaltar… mein Gott, er war tatsächlich echt. Er hatte ihn mit eigenen Augen gesehen. Er hatte von ihm getrunken. Schon fühlte er, wie seine unfassbare Macht durch sein Blut strömte und ihn veränderte. Er fühlte sich wie ein Gott.
Nein, nicht wie ein Gott.
Er warf den Kopf in den Nacken, und sein Schrei hallte weit über das nackte, froststarre Land.
» Ich bin Gott!«
Teil Zwei
Der Mord
5
Galveston, Texas
Anderthalb Jahre vor der Gegenwart
Pfarrer Dom hasste dieses schreckliche Zischen, wenn
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