Alte Feinde Thriller
hinterlassen, damit die Polizei auch ganz genau wusste, wer es gewesen war.
Schleudertrauma-Walt war Anwalt, wie Meghans Vater, doch sie bewegten sich auf zwei völlig unterschiedlichen Daseinsebenen. Wohlgeboren Nicholas Charles speiste regelmäßig mit dem Bürgermeister und Philadelphias politischer Elite zu Mittag. Schleudertrauma-Walt hingegen verbrachte den Tag damit, jedem im Umkreis von fünf Meilen, der eine dicke Halskrause trug, seine Visitenkarte in die Hand zu drücken. Schleudertrauma-Walt
hatte sich, wie man aus seinem Namen vielleicht schließen konnte, auf Personenschäden spezialisiert. Und genau darüber hatte er auch meine Mutter kennengelernt. Sie hatte versucht, das Krankenhaus, in dem sie arbeitete, zu verklagen, weil sie dort ausgerutscht und gestürzt war. Den Fall verlor sie zwar, aber dafür gewann sie Schleudertrauma-Walt.
Mom bot mir noch ein Bier an, doch ich schenkte mir lieber etwas von Schleudertrauma-Walts Whiskey ein - Johnnie Walker Black. Wahrscheinlich das Geschenk eines dankbaren Klienten. Der Billigheimer hätte garantiert nicht daran gedacht, mir einen zu spendieren.
Mom entschuldigte sich, weil sie in den Keller wollte. Ich wusste schon, warum.
»Ist okay. Es ist dein Haus. Du kannst auch hier rauchen.«
»Du weißt, dass ich nicht rauche, Mickey.«
»Ich weiß hundertpro, dass du rauchst.«
»Das ist Blödsinn.«
Ich wandte mich Meghan zu.
»Sie raucht, aber hundertpro.«
»Ich rauche nicht.«
Mom entschuldigte sich trotzdem und verschwand nach unten, um zu rauchen. Kurz darauf hörten wir das Knistern der Packung, gefolgt vom Schnipsen des Feuerzeugs. In ein paar Minuten würden wir den Zigarettenrauch riechen.
Ich erkläre Meghan die Sache, ohne dabei die Stimme zu senken.
»Die Eltern meiner Mutter sind beide an Lungenkrebs gestorben. Sie will mir weismachen, dass sie 1990 mit dem Rauchen aufgehört hat, als ihr Vater gestorben ist. Und ich glaube wirklich, dass sie versucht, damit aufzuhören. Leider hat sie es nie geschafft.«
Offensichtlich war Schleudertrauma-Walt die Sache unangenehm, denn er verwickelte Meghan in ein unverbindliches Gespräch. Kaum hatte er herausgefunden, dass Meghans Vater Nicholas Charles war, wurde ihr Gespräch etwas konkreter; er wollte wissen, woran ihr Vater momentan arbeitete, und, ähm, ob er manchmal im Capitol Grille aß, und na ja, ob Ihr Vater zufällig gerade neue Mitarbeiter suchte, hey, war nur ein Scherz, nein, war doch keiner.
Als meine Mutter in die Küche zurückkehrte, stank sie von oben bis unten nach Qualm. Der Geruch stieg von ihrer Kleidung in unsere Nasenlöcher. Ich unterdrückte einen Niesreiz. Und wir setzten uns alle an den Esstisch.
Innerhalb von sechzig Sekunden hatte Schleudertrauma-Walt das Essen in sich hineingeschaufelt. Dann stand er auf und marschierte wortlos in sein Kellerbüro hinunter. Allerdings erst nachdem er meine Mutter nicht gerade zärtlich in den Arsch gekniffen hatte.
Meghans und mein Teller waren immer noch voll, denn die Zeit hatte nicht gereicht, um so zu tun, als würden wir uns über mehr als nur ein paar Happen unserer Rigatoni mit Fleischbällchen genüsslich hermachen.
Meine Mutter beugte sich zu uns vor, ganz vertraulich.
»Er arbeitet an einem Fall.«
Ich beugte mich ebenfalls vor.
»Mach dir deswegen keine Sorgen.«
Schleudertrauma-Walt verbrachte zwar eine Menge Zeit in Northwood, doch er würde niemals hierherziehen. Vom Stadtrand nach Northwood umzusiedeln, wäre ein echter Abstieg gewesen, selbst für einen Anwalt, der sich auf Personenschäden spezialisiert hatte. Darum behielt er seine Eigentumswohnung in Ardmore, verbrachte jedoch die meiste Zeit im Haus meiner Mutter.
»Noch etwas Wein?«
»Danke, Mrs. Wade.«
»Hey, ich hab doch gesagt: Nennen Sie mich Anne. Wir sind alle erwachsen hier.«
»Gut. Anne.«
Ich hatte Meghan aus taktischen Gründen mitgebracht. Mit einem Puffer zwischen uns feuerte meine Mutter vielleicht nicht aus vollen Rohren auf mich. Vielleicht sah sie sich sogar gezwungen, ein oder zwei Fragen ganz ehrlich zu beantworten.
»Mom, was weißt du über Granpa und das Adams Institute?«
Für einen kurzen Moment hielt meine Mutter mit der Gabel in ihrer Hand inne, wie in einer jener spektakulären Zeitlupenaufnahmen von einer fliegenden Kugel in einem Streifen der Wachowski-Brüder. Sie lächelte.
»Als du mir erzählt hast, du möchtest Autor werden, dachte ich, dass ich dort mal ende.«
Und dann setzte die Gabel ihren Weg zum Mund
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