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Alte König in seinem Exil - Alte König in seinem Exil

Titel: Alte König in seinem Exil - Alte König in seinem Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
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auf den kein weiterer mehr folgt. Das macht mich wütend, der ganze Aufwand – und wofür das alles? Dann wieder denke ich, dass etwas dran ist an dem, was Julien Green achtzigjährig in sein Tagebuch geschrieben hat: dass er kein Problem damit habe, Fähigkeiten zu verlieren und sterben zu müssen. Gott nehme den Schwamm und lösche, was auf der Tafel geschrieben stehe, wieder aus, um seinen eigenen Namen draufzuschreiben.
    Im Gegensatz zu mir ist mein Vater sehr gläubig. Doch in einem weltlichen Sinn gefällt auch mir, was Julien Green geschrieben hat von diesem Anderen , der seinen Namen auf die Tafel schreibt. Orte, die wir nutzen, werden von anderen genutzt werden. Die Straßen, in denen wir fahren, werden von anderen befahren werden. Der Platz, auf den der Vater ein Haus gestellt hat, wird von anderen Menschen bewohnt werden. Jemand wird die Geschichten, die ich erzähle, weitererzählen.
    So absurd und traurig dieses Arrangement ist, so richtig kommt es mir vor.
     
    In der Zeitung heißt es, dass Kakerlaken auf dem Bikini-Atoll Atombombentests überlebt haben und dass sie am Ende auch die Menschheit überleben werden. Schon wieder etwas, das mich überleben wird. Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass mich der Wein und die Mädchenüberleben werden. Aber dass es Kakerlaken geben wird, die sich ihres Lebens erfreuen, während ich habe abtreten müssen, das schmerzt ein wenig.
     
    Als ich mir einmal aus dem Vorratskeller eine Flasche Wein holte, war das schmale Fenster unter der Decke gekippt, deshalb konnte ich von draußen meinen Vater reden hören. Er saß mit Daniela auf dem Mäuerchen und sagte:
    »Vielleicht kommt einmal die Zeit –«
     
    Wenn die Menschen unsterblich wären, würden sie weniger nachdenken. Und wenn die Menschen weniger nachdenken würden, wäre das Leben weniger schön.
    Ohne die Absurdität des Lebens und die Existenz des Todes wäre weder Die Zauberflöte noch Romeo und Julia geschrieben worden. Warum hätte irgendwer sollen?
     
    Der Tod ist einer der Gründe, weshalb mir das Leben so anziehend erscheint. Er bewirkt, dass ich die Welt klarer sehe.
    Willkommen ist er mir deswegen nicht, ich empfinde ihn als verstörend, es ist unendlich schade um das viele Schöne, das verlorengeht. Doch da Sterben die unumgängliche Praxis ist, kommt mir die Empörung darüber wie Bellen in der Nacht vor – angesichts des sich aufdrängenden Lebens.
     
    Die Zeit wird weiter dahingehen, allen Protesten zum Trotz.
     
    Ich glaube, es ist der Film Die Lady von Shanghai , in dem folgender kleiner Dialog vorkommt:
    »Ich will nicht sterben.«
    »Ich auch nicht. Und wenn, dann als Letzter.«
     
    Sosehr die Menschen am Leben hängen: Wenn sie finden, dass ein Leben nicht mehr ausreichend Lebensqualität bietet, kann das Sterben plötzlich nicht schnell genug gehen. Dann wird das Thema Sterbehilfe aufgebracht von Angehörigen, die besser daran täten, über die eigene Unfähigkeit nachzudenken, mit der veränderten Situation umzugehen. Die Frage ist: Will man den Kranken von der Krankheit befreien oder sich selbst von der Hilflosigkeit?
     
    Schuldig, weil man noch lebt! – Noch immer!
     
    Es trifft mich immer unvorbereitet, wenn mir der Vater mit einer Sanftheit, die mir früher nicht an ihm aufgefallen ist, seine Hand an die Wange legt, manchmal die Handfläche, sehr oft die Rückseite der Hand. Dann erfasse ich, dass ich nie enger mit ihm zusammensein werde als in diesem Augenblick.
     
    Ich werde mich immer daran erinnern. Immer. Immer! Oder wenigstens, solange ich kann.
     
    Ich legte den Arm um seine Schulter und sagte:
    »Na, du alter Haudegen?«
    »Ich?«, fragte er überrascht.
    »Bist du kein alter Haudegen?«
    »Das kommt drauf an, wie man es auslegt. – – Weißt du, ein Haudegen hat Kraft …«
    Dann schaute er mich an, musterte mich freundlich und sagte:
    »Du bist einer, der viele Dinge gemocht und viele Dinge ums Verrecken nicht gemocht hat.«
    »Manche Dinge habe ich gerne gemocht«, sagte ich.
    »Abenteuer hast du immer gerne gemocht. Ich nicht.«
    »Was hast du gerne gemocht?«
    »Heimgehen.«
     
    Ein anderes Mal, als ich seine Hand nahm und sie drückte, fragte er mich:
    »Warum tust du das?«
    »Nur so«, sagte ich.
    Er schaute mich an in einer Mischung aus Neugier und Irritation, dann sagte er:
    »Du darfst meine Hand natürlich halten, so viel du willst. Aber es würde mich schon interessieren, warum du sie hältst.«
    »Ich tue es, weil ich dich mag«, sagte

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