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Alte Meister: Komödie (German Edition)

Alte Meister: Komödie (German Edition)

Titel: Alte Meister: Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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ist so kitschig und sentimental gemalt worden und die Komponisten übertreffen sich gegenseitig in Kitsch und Sentimentalität, gehen Sie nur in die Theater, dort wird heute nichts als gemeingefährlicher Kitsch geboten, nichts als Sentimentalität und selbst wenn es brutal und wild zugeht auf dem Theater, ist es doch nur die gemeine kitschige Sentimentalität. Gehen Sie in die Ausstellungen, es wird Ihnen nur äußerster Kitsch und allerwiderwärtigste Sentimentalität gezeigt. Gehen Sie in die Konzertsäle, Sie hören auch dort nur Kitsch und Sentimentalität. Die Bücher sind heute vollgestopft mit Kitsch und Sentimentalität, das ist es, was Stifter in den letzten Jahren so in Mode gebracht hat. Stifter ist ein Kitschmeister, sagte Reger. Auf einer x-beliebigen Seite Stifter ist so viel Kitsch, daß mehrere Generationen von poesiedurstigen Nonnen und Krankenschwestern damit befriedigt werden können, sagte er. Undtatsächlich ist ja auch Bruckner nur sentimental und kitschig, nichts als ein stupides, monumentales orchestrales Ohrenschmalz. Die jungen und die jüngeren Schriftsteller, die heute schreiben, schreiben zum Großteil nur geistlosen und kopflosen Kitsch und sie entwickeln in ihren Büchern eine geradezu unerträgliche pathetische Sentimentalität, es ist also durchaus zu verstehen, daß auch bei ihnen Stifter die große Mode ist. Stifter, der den geistlosen und kopflosen Kitsch in die große und hohe Literatur eingeführt und der mit einem kitschigen Selbstmord geendet hat, ist jetzt höchste Mode, sagte Reger. Es ist gar nicht so unverständlich, daß jetzt, wo das Wort Wald und das Wort Waldsterben so in Mode gekommen sind und überhaupt der Begriff Wald der am meisten gebrauchte und mißbrauchte ist, der Hochwald von Stifter so viel gekauft wird, wie noch nie. Die Sehnsucht der Menschen ist heute, wie nie zuvor, die Natur und da alle glauben, Stifter habe die Natur beschrieben, laufen sie alle zu Stifter. Stifter hat aber die Natur gar nicht beschrieben, er hat sie nur verkitscht. Die ganze Dummheit der Menschen zeigt sich in der Tatsache, daß sie jetzt alle zu Stifter pilgern zu Hunderttausenden und sich niederknien vor jedem einzelnen seiner Bücher, als wäre jedes einzelne ein Altar. Gerade in solchem Pseudoenthusiasmus ist mir die Menschheit widerlich, sagte Reger, ist sie mir absolut abstoßend. Schließlich fällt am Ende alles der Lächerlichkeit oder wenigstens der Armseligkeit anheim, es mag so groß und bedeutend sein, wie es will, sagte er. Tatsächlich erinnert mich Stifter immer wieder an Heidegger , an diesen lächerlichen nationalsozialistischen Pumphosenspießer. Hat Stifter die hohe Literatur auf die unverschämteste Weise total verkitscht, so hat Heidegger, der Schwarzwaldphilosoph Heidegger, die Philosophie verkitscht, Heidegger und Stifter haben jeder für sich, auf seine Weise, die Philosophie und die Literatur heillos verkitscht. Heidegger, dem die Kriegs- und Nachkriegsgenerationen nachgelaufen sind und den sie mit widerwärtigen und stupiden Doktorarbeitenüberhäuft haben schon zu Lebzeiten, sehe ich immer auf seiner Schwarzwaldhausbank sitzen neben seiner Frau, die ihm in ihrem perversen Strickenthusiasmus ununterbrochen Winterstrümpfe strickt mit der von ihr selbst von den eigenen Heideggerschafen heruntergeschorenen Wolle. Heidegger kann ich nicht anders sehen, als auf der Hausbank seines Schwarzwaldhauses, neben sich seine Frau, die ihn zeitlebens total beherrscht und die ihm alle Strümpfe gestrickt und alle Hauben gehäkelt hat und die ihm das Brot gebacken und das Bettzeug gewebt und die ihm selbst seine Sandalen geschustert hat. Heidegger war ein Kitschkopf, sagte Reger, genauso wie Stifter, aber doch noch viel lächerlicher als Stifter, der ja tatsächlich eine tragische Erscheinung gewesen ist zum Unterschied von Heidegger, der immer nur komisch gewesen ist, ebenso kleinbürgerlich wie Stifter, ebenso verheerend größenwahnsinnig, ein Voralpenschwachdenker, wie ich glaube, gerade recht für den deutschen Philosophieeintopf. Den Heidegger haben sie alle mit Heißhunger ausgelöffelt jahrzehntelang, wie keinen anderen und sich den deutschen Germanisten- und Philosophenmagen damit vollgeschlagen. Heidegger hatte ein gewöhnliches, kein Geistesgesicht, sagte Reger, war durch und durch ein ungeistiger Mensch, bar jeder Phantasie, bar jeder Sensibilität, ein Urdeutscher Philosophiewiederkäuer, eine unablässig trächtige Philosophiekuh, sagte Reger, die auf der

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