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Alte Meister: Komödie (German Edition)

Alte Meister: Komödie (German Edition)

Titel: Alte Meister: Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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Kitschstück. Die Qualität dieses Stückes liegt mehr darin, sehr gut darüber diskutieren zu können, als in ihm selbst. Beethoven war absolut der eintönige Krampf-Künstler als Gewaltmensch, nicht unbedingt das, was ich am höchsten schätze. Die Sturmsonate zu charakterisieren hat mir immer Spaß gemacht, sie ist das verhängnisvollste Beethovenstück, durch die Sturmsonate kann Beethoven klar gemacht werden, sein Wesen, sein Genie, sein Kitsch werden dabei deutlich, seine Grenzen werden gezogen. Aber ich habe ja nur deshalb von der Sturmsonate gesprochen, weil ich Ihnen die Kunst der Fuge weiter und noch intensiver aufklären wollte gestern, dazu war es notwendig, die Sturmsonate heranzuziehen, sagte Reger. Ich hasse im übrigen solche Bezeichnungen wie Sturmsonate oder Eroica oder Unvollendete oder Mit dem Paukenschlag , derartige Bezeichnungen sind mir widerwärtig. Wie wenn man sagt Der Magus des Nordens , das ist mir zutiefst widerwärtig, sagte Reger. Gerade weil Sie theoretisch an Musik tatsächlich gar nicht interessiert sind, sind Sie das ideale Opfer meiner Auseinandersetzungen mit der Musik, sagte Reger. Sie hören aufmerksam zu und widersprechen nicht , sagte er, Sie lassen mein Reden in Ruhe, das brauche ich, gleich was es wert ist, was ich sage, es ebnet mir nur den Weg durch diese fürchterliche, glauben Sie mir, doch tatsächlich sehr selten glücklich machende musikalische Existenz. Was ich denke, ist aufreibend, zugrunderichtend,sagte er, andererseits reibt es mich schon so lange auf, richtet es mich schon so lange zugrunde, daß ich davor keine Angst mehr zu haben brauche. Ich dachte, Sie werden pünktlich sein und Sie sind pünktlich, sagte er, von Ihnen erwarte ich ja nichts anderes, als Pünktlichkeit und die Pünktlichkeit, das wissen Sie ja, schätze ich über alles, da wo Menschen sind, muß die Pünktlichkeit und die mit der Pünktlichkeit gemeinsame Sache machende Verläßlichkeit herrschen, sagte er. Halb zwölf, und Sie sind aufgetreten, sagte er, ich schaute auf die Uhr und es war halb zwölf und Sie sind auch schon vor mir gestanden. Ich habe keinen nützlicheren Menschen außer Ihnen , sagte er. Wahrscheinlich ist mir das Überleben nur durch Sie möglich. Das hätte ich nicht sagen sollen, sagte Reger, das ist eine Unverschämtheit, das zu sagen, sagte er, eine Unverschämtheit sondergleichen, aber ich habe es gesagt, Sie sind jener Mensch, der mich weiterexistieren läßt, ich habe tatsächlich keinen andern. Und wissen Sie überhaupt, daß meine Frau Sie sehr geliebt hat? Sie hat es Ihnen nie gesagt, aber mir hat sie es gesagt, nicht nur einmal. Sie haben einen freien Kopf, sagte Reger, das ist das Kostbarste, das es auf der Welt gibt. Sie sind ein Einzelgänger und haben sich Ihr Einzelgängertum bewahrt, bewahren Sie es sich, solange Sie leben, sagte Reger. Ich bin in die Kunst hineingeschlüpft, um dem Leben zu entkommen, so könnte ich es ja auch sagen, sagte er. Ich habe mich in die Kunst davongeschlichen, sagte er. Ich habe den günstigsten Augenblick abgewartet und diesen günstigsten Augenblick ausgenützt und habe mich aus der Welt in die Kunst davongeschlichen, in die Musik, sagte er. Wie sich andere in die sogenannte Bildende Kunst davonschleichen, in die Schauspielkunst, sagte er. Diese Leute, die so wie ich im Grunde tatsächlich Welthassende sind, schleichen sich von einem Augenblick auf den andern aus der gehaßten Welt davon in die Kunst, die ja ganz und gar außerhalb dieser gehaßten Welt ist. Ich habe mich in die Musik davongeschlichen, sagte er, in allerHeimlichkeit. Weil ich die Möglichkeit dazu gehabt habe, während doch die meisten Menschen diese Möglichkeit gar nicht haben. Sie haben sich in die Philosophie und in die Schriftstellerei davongeschlichen, sagte Reger, aber Sie sind weder Philosoph, noch Schriftsteller, das ist ja das gleichzeitig Interessante wie Fatale an und in Ihnen, denn Philosoph sind Sie eigentlich doch nicht und Schriftsteller eigentlich auch nicht, denn zum Philosophen fehlt Ihnen alles, das das Kennzeichen des Philosophen ist, und zum Schriftsteller genauso alles, obwohl Sie doch das genau sind, was ich den philosophischen Schriftsteller nenne, Ihre Philosophie ist keine eigentliche und Ihre Schriftstellerei ist auch keine eigentliche, wiederholte er. Und ein Schriftsteller, der nichts veröffentlicht, ist ja im Grunde auch wirklich kein Schriftsteller. Sie leiden wahrscheinlich an Veröffentlichungsangst , sagte Reger, ein

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